Reiterlied von Friedrich Schiller

Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd!
Ins Feld, in die Freiheit gezogen!
Im Felde, da ist der Mann noch was wert,
Da wird das Herz noch gewogen.
Da tritt kein anderer für ihn ein,
Auf sich selber steht er da ganz allein.
 
Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist,
Man sieht nur Herren und Knechte,
Die Falschheit herrschet, die Hinterlist
10 
Bei dem feigen Menschengeschlechte.
11 
Der dem Tod ins Angesicht schauen kann,
12 
Der Soldat allein ist der freie Mann.
 
13 
Des Lebens Ängsten, er wirft sie weg,
14 
Hat nicht mehr zu fürchten, zu sorgen,
15 
Er reitet dem Schicksal entgegen keck,
16 
Triffts heute nicht, trifft es doch morgen,
17 
Und trifft es morgen, so lasset uns heut
18 
Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit.
 
19 
Von dem Himmel fällt ihm sein lustig Los
20 
Brauchts nicht mit Müh zu erstreben,
21 
Der Fröner, der sucht in der Erde Schoß,
22 
Da meint er den Schatz zu erheben.
23 
Er gräbt und schaufelt, solang er lebt,
24 
Und gräbt, bis er endlich sein Grab sich gräbt.
 
25 
Der Reiter und sein geschwindes Roß,
26 
Sie sind gefürchtete Gäste;
27 
Es flimmern die Lampen im Hochzeitschloß,
28 
Ungeladen kommt er zum Feste.
29 
Er wirbt nicht lange, er zeiget nicht Gold,
30 
Im Sturm erringt er den Minnesold.
 
31 
Warum weint die Dirn und zergrämet sich schier?
32 
Laß fahren dahin, laß fahren!
33 
Er hat auf Erden kein bleibend Quartier,
34 
Kann treue Lieb nicht bewahren.
35 
Das rasche Schicksal, es treibt ihn fort,
36 
Seine Ruh läßt er an keinem Ort.
 
37 
Drum frisch, Kameraden, den Rappen gezäumt,
38 
Die Brust im Gefechte gelüftet!
39 
Die Jugend brauset, das Leben schäumt,
40 
Frisch auf! eh der Geist noch verdüftet.
41 
Und setzet ihr nicht das Leben ein,
42 
Nie wird euch das Leben gewonnen sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Reiterlied“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
277
Entstehungsjahr
1759 - 1805
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Reiterlied“ wurde von Friedrich Schiller verfasst, einem signifikanten Dichter und Dramatiker der deutschen Klassik. Schiller lebte von 1759 bis 1805, daher kann das Gedicht in das späte 18. oder frühe 19. Jahrhundert eingeordnet werden.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht eine heroische Darstellung des Soldatenlebens und der damit verbundenen Freiheit zu sein. Bei genauerer Betrachtung enthüllt sich jedoch eine tiefere Ebene mit Kritik an gesellschaftlichen Umständen.

Das Gedicht besteht aus sieben Strophen mit jeweils sechs Versen. Das lyrische Ich ruft die Kameraden auf, zu Pferd in die Freiheit und ins Feld zu ziehen. Schiller beschreibt das Feld als Ort, an dem ein Mann Wert hat und auf sich selbst gestellt ist. Die Welt außerhalb des Feldes wird als Ort beschrieben, in dem nur Herren und Knechte existieren und die Freiheit verschwunden ist. Der Soldat, der dem Tod ins Angesicht sehen kann, wird als der einzige freie Mann dargestellt.

Ebenso spricht das lyrische Ich davon, dass der Soldat die Ängste des Lebens wegwerfen kann und ohne Furcht seinem Schicksal entgegenreitet. Der Reiter und sein Pferd werden als gefürchtete Gäste dargestellt, die ungeladen zu Festen kommen und ihre Liebe schnell erobern können, jedoch aufgrund ihres rastlosen Schicksals keine dauerhafte Liebe halten können.

Formal ist das Gedicht in Reimpaaren gehalten. Die Sprache ist bildhaft und metaphorisch, was typisch für die Werke Schillers und für die Literatur der Romantik ist.

Die Botschaft des Gedichts scheint eine heroische Darstellung des Soldatenlebens, verbunden mit einer Bewunderung für die Fähigkeit, frei von gesellschaftlichen Normen zu sein und den Tod direkt ins Auge zu blicken. Es kritisiert gleichzeitig die sozialen Normen und die Unehrlichkeit der Gesellschaft. Die Darstellung des Soldaten weist jedoch auch auf den Preis hin, den er für seine Freiheit zahlt: eine rastlose Existenz ohne Beständigkeit oder dauerhafte menschliche Bindungen.

Das „Reiterlied“ ist daher eine interessante Darstellung der Ambivalenz gegenüber dem Soldatenleben, die sowohl dessen Freiheit und Unabhängigkeit feiert, als auch auf die damit verbundenen Verluste und Opfer hinweist. Schiller nutzt die Form des Liedes, um diese Botschaft auf eine kraftvolle und eindringliche Weise zu vermitteln.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Reiterlied“ ist Friedrich Schiller. Der Autor Friedrich Schiller wurde 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1775 und 1805. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Schiller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird der Sturm und Drang auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Jugend- und Protestbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Einer der wichtigsten Schriftsteller der deutschen Klassik ist Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar). Seine Italienreise 1786 wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Goethe prägte die Klassik ganz wesentlich. Sein Tod im Jahr 1832 ist gleichzeitig das Ende dieser Epoche. Das Zentrum der Literatur der Weimarer Klassik lag in Weimar. Häufig wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Statt auf Konfrontation und Widerspruch wie noch in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Die wichtigsten Werte sind Menschlichkeit und Toleranz. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel der Literaturepoche der Klassik war es die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer „charakterschönen“ Persönlichkeit zu forcieren. In der Gestaltung wurde das Gültige, Gesetzmäßige, Wesentliche aber auch die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oftmals roh und derb ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die berühmtesten Schriftsteller der Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Andere Schriftsteller der Klassik sind Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Die beiden letztgenannten arbeiteten aber jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 277 Worte. Weitere Werke des Dichters Friedrich Schiller sind „Breite und Tiefe“, „Bürgerlied“ und „Columbus“. Zum Autor des Gedichtes „Reiterlied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 220 Gedichte veröffentlicht.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Friedrich Schiller

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Friedrich Schiller und seinem Gedicht „Reiterlied“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Friedrich Schiller (Infos zum Autor)

Zum Autor Friedrich Schiller sind auf abi-pur.de 220 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.