Die Worte des Wahns von Friedrich Schiller

Drei Worte hört man, bedeutungsschwer,
Im Munde der Guten und Besten;
Sie schallen vergeblich, ihr Klang ist leer,
Sie können nicht helfen und trösten.
Verscherzt ist dem Menschen des Lebens Frucht,
Solang er die Schatten zu haschen sucht.
 
Solang er glaubt an die Goldene Zeit,
Wo das Rechte, das Gute wird siegen,
Das Rechte, das Gute führt ewig Streit,
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Nie wird der Feind ihm erliegen,
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Und erstickst du ihn nicht in den Lüften frei,
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Stets wächst ihm die Kraft auf der Erde neu.
 
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Solang er glaubt, daß das buhlende Glück
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Sich dem Edeln vereinigen werde
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Dem Schlechten folgt es mit Liebesblick,
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Nicht dem Guten gehöret die Erde.
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Er ist ein Fremdling, er wandert aus
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Und suchet ein unvergänglich Haus.
 
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Solang er glaubt, daß dem irdschen Verstand
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Die Wahrheit je wird erscheinen,
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Ihren Schleier hebt keine sterbliche Hand,
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Wir können nur raten und meinen.
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Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort,
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Doch der freie wandelt im Sturme fort.
 
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Drum, edle Seele, entreiß dich dem Wahn
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Und den himmlischen Glauben bewahre!
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Was kein Ohr vernahm, was die Augen nicht sahn,
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Es ist dennoch, das Schöne, das Wahre!
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Es ist nicht draußen, da sucht es der Tor,
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Es ist in dir, du bringst es ewig hervor.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „Die Worte des Wahns“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
204
Entstehungsjahr
1759 - 1805
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

„Die Worte des Wahns“ ist ein Gedicht von Friedrich Schiller, einem der bekanntesten Dichter der deutschen Klassik, der von 1759 bis 1805 lebte. Das Gedicht stammt aus dem späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert.

Mit Sinnschwäche und Ironie enthüllt das Gedicht einige der im Allgemeinen akzeptierten Vorstellungen von Tugend, Glück und Wahrheit. In fünf Strophen erklärt das lyrische Ich, dass gängige Erwartungen und Überzeugungen der Menschen nicht nur kurzlebig, sondern auch bedeutungslos und trügerisch sind.

Das lyrische Ich unterstreicht die Sinnlosigkeit bestimmter gemeinhin akzeptierten Wahrheiten. Es liefert eine düstere Perspektive auf die ethischen und philosophischen Ideale der Menschheit und schlägt vor, dass Glück und Wahrheit nicht ständig verfolgt werden sollten, sondern in uns selbst zu finden sind.

Auf der Formebene besteht das Gedicht aus fünf Strophen zu je sechs Versen, was eine klassische Strophe der deutschen Literatur ist. Schiller benutzt eine direkte und ungeschminkte Sprache, die von pessimistischer Ironie getragen ist. Er nutzt traditionelle Verse und Reime, um seine kontroversen Thesen zu formulieren, wodurch ein starker Kontrast zwischen der formalen Struktur des Gedichts und seiner kritischen und aufklärerischen Aussage entsteht.

Letztlich ist das Gedicht eine Aufforderung an die „edle Seele“, sich von den Gemeinplätzen und dem Wunschdenken der Gesellschaft zu befreien und die eigene innere Wahrheit und Schönheit zu erkennen und zu manifestieren. Diese innere Wahrheit ist ewig, unvergänglich und unabhängig von äußeren Einflüssen oder Erwartungen. Das Gedicht fordert uns somit auf, uns selbst treu zu bleiben, uns nicht von äußeren Erwartungen lenken zu lassen und an unser inneres Potenzial und unsere persönlichen Werte zu glauben.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Worte des Wahns“ des Autors Friedrich Schiller. Schiller wurde im Jahr 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1775 bis 1805 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Schiller ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Literaturepoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Rebellieren gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der Literatur, die insbesondere von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Goethes Italienreise im Jahr 1786 markiert den Beginn der Epoche. Das Todesjahr von Goethe, 1832, markiert das Ende der Weimarer Klassik. In der Epoche sind Einflüsse der Französischen Revolution festzustellen. Die Weimarer Klassik wird oft nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen werden in der Literatur genutzt. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die bedeutenden Themen. Die Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. In der Gestaltung wurde das Gesetzmäßige, Wesentliche, Gültige sowie die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oftmals derb und roh ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Goethe, Schiller, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Klassik betrachtet werden. Aber nur Schiller und Goethe motivierten und inspirierten einander durch intensive Zusammenarbeit und gegenseitige Kritik.

Das vorliegende Gedicht umfasst 204 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 30 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Friedrich Schiller sind „Bacchus im Triller“, „Baurenständchen“ und „Breite und Tiefe“. Zum Autor des Gedichtes „Die Worte des Wahns“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 220 Gedichte vor.

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