Schiller, Friedrich - Die Worte des Glaubens Goethe, Johann Wolfgang von - Grenzen der Menschheit

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Friedrich Schiller, Gedichtinterpretation, Gedichtanalyse, Johann Wolfgang von Goethe, Referat, Hausaufgabe, Schiller, Friedrich - Die Worte des Glaubens Goethe, Johann Wolfgang von - Grenzen der Menschheit
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Referat

Die Gedichte „Die Worte des Glaubens“ (Schiller) und „Grenzen der Menschheit“ (Goethe) im Vergleich

Die Worte des Glaubens
von Friedrich Schiller

Drei Worte nenn ich euch, inhaltschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde,
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.
 
Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd er in Ketten geboren,
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
10 
Nicht den Mißbrauch rasender Toren.
11 
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
12 
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.
 
13 
Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
14 
Der Mensch kann sie üben im Leben,
15 
Und sollt er auch straucheln überall,
16 
Er kann nach der göttlichen streben,
17 
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
18 
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.
 
19 
Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
20 
Wie auch der menschliche wanke,
21 
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
22 
Lebendig der höchste Gedanke,
23 
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
24 
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.
 
25 
Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer,
26 
Sie pflanzet von Munde zu Munde,
27 
Und stammen sie gleich nicht von außen her,
28 
Euer Innres gibt davon Kunde,
29 
Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt,
30 
Solang er noch an die drei Worte glaubt.

(„Die Worte des Glaubens“ von Friedrich Schiller ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (26.1 KB) zur Unterstützung an.)

Grenzen der Menschheit
von Johann Wolfgang von Goethe

Wenn der uralte,
Heilige Vater
Mit gelassener Hand
Aus rollenden Wolken
Segnende Blitze
Über die Erde sä’t,
Küß’ ich den letzten
Saum seines Kleides,
Kindliche Schauer
10 
Treu in der Brust.
 
11 
Denn mit Göttern
12 
Soll sich nicht messen
13 
Irgend ein Mensch.
14 
Hebt er sich aufwärts,
15 
Und berührt
16 
Mit dem Scheitel die Sterne,
17 
Nirgends haften dann
18 
Die unsichern Sohlen,
19 
Und mit ihm spielen
20 
Wolken und Winde.
 
21 
Steht er mit festen,
22 
Markigen Knochen
23 
Auf der wohlgegründeten,
24 
Dauernden Erde;
25 
Reicht er nicht auf,
26 
Nur mit der Eiche
27 
Oder der Rebe
28 
Sich zu vergleichen.
 
29 
Was unterscheidet
30 
Götter von Menschen?
31 
Daß viele Wellen
32 
Vor jenen wandeln,
33 
Ein ewiger Strom:
34 
Uns hebt die Welle,
35 
Verschlingt die Welle,
36 
Und wir versinken.
 
37 
Ein kleiner Ring
38 
Begränzt unser Leben,
39 
Und viele Geschlechter
40 
Reihen sich dauernd
41 
An ihres Daseyns
42 
Unendliche Kette.

(„Grenzen der Menschheit“ von Johann Wolfgang von Goethe ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (26.5 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht „Die Worte des Glaubens“ wurde 1797 von Friedrich Schiller verfasst, welcher 1759 in Marbach am Neckar (Württemberg) geboren wurde. Dieser verfolgte zunächst die Epoche des Sturm und Drangs, prägte aber später zusammen mit Johann Wolfgang von Goethe die Weimarer Klassik in der er sich den Themen der Humanität, Harmonie und der ästhetischen Erziehung widmete. In die Epoche der Klassik kann man die Ballade „Die Worte des Glaubens“ ebenso einordnen, da das lyrische Ich über die Bedeutung der drei Grundwerte Freiheit, Tugend und Gott für das Leben, sowie den Wert eines Menschen, zu sprechen scheint und seinen lyrischen Gegenüber zu belehren oder vielmehr noch zu motivieren versucht, Humanität zu üben.

Das Gedicht besitzt 5 Strophen mit je 6 Versen, jene Strophen sind inhaltlich so gegliedert, dass die erste Strophe das Gedicht einleitet und mit nur wenigen Änderungen als fünfte Strophe ebenso wieder zusammenfasst und somit als Rahmen für die Ausführungen des restlichen Gedichtes dient.

In dieser ersten Strophe meint das lyrische Ich drei Worte zu nennen, die sich weiter verbreiten und aus dem Inneren eines jeden Menschen kommen würden. Der Glaube daran erhalte den Wert des Menschen. Und so spricht das lyrische Ich in der zweiten Strophe vom ersten Wort: Der Freiheit. Man solle keine Angst vor ihr haben und sich nicht von dem Missbrauch jener irren lassen, sondern darauf bauen. Die dritte Strophe ist der Tugend gerichtet, nach welcher man laut dem lyrischen Ich das Leben ausrichten sollte, um zu wachsen. Den Ruhepol des Lebens schreibt das lyrische Ich letztlich in der vierten Strophe Gott zu, welcher hinweg über Raum und Zeit stetig sei, während der menschliche Wille in Chaos ende. So könne einem der Glauben an einem göttlichen Willen Stetigkeit im Leben geben. Die letzte Strophe ist letztlich eine Aufforderung an die Leser, diese Lehre weiterzuverbreiten, denn solange man sich daran halte, solange würde man seinem Leben einen Wert verleihen.

Das Gedicht hat eine außergewöhnlich positive Atmosphäre und einen Appellcharakter, da es Aufforderungen enthält, sich „nicht irren“ (Vers 9) zu lassen oder vom „üben“ (Vers 14) der Tugend spricht, nicht nur von der Ausführung. Dem lyrischen Ich scheint nicht zu entgehen, dass der Mensch Fehler macht und fordert ihn dennoch auf, nach Freiheit, Tugend und dem Göttlichen zu streben.

Die Strophen sind dabei als Sestinen angelegt und mit einem Kreuzreim und einem darauf folgendem Paarreim aufgebaut (ababcc), das Kreuz ist dabei als christliches Symbol zu verstehen, womit erneut auf den Glauben an das Göttliche verwiesen wird. Auch die Paarung der letzten Verse einer jeden Strophe kann mit der Thematik des Gedichtes verknüpft werden und steht für die Tugend, welche auf den Zusammenhalt der Menschheit abzielt und so auch die Verse zusammenhält. Unter diesem Gesichtspunkt ist besonders auffällig, dass in der dritten Strophe, welcher der Tugend gewidmet ist, eine Verswaise vorhanden ist, wo eigentlich der Paarreim vorhanden wäre (vgl. V17-18). Hier scheint das lyrische Ich vom Gegenspieler der Tugend zu sprechen, der „Einfalt ein[es] kindlich[en] Gemüt[s]“ (Vers 18), welche dem Verstand (vgl. V.17), jenes Streben zur Tugend raubt.

Diese Struktur des Gedichtes wird zudem durch die Kadenz unterstützt, welche dem Reimschema folgt und somit in den ersten vier Versen einer jeden Strophe alternierend auftritt und sich dann in den letzten beiden Versen doppelt (mwmwmm). Auch die Kadenz verlässt jedoch in der dritten Strophe ihr eigentliches Schema und ist dort durchgehend alternierend (mwmwmw), was die Wirkung des Reimschemas nochmal verstärkt.

Das Metrum dagegen scheint keinem Schema zu folgen, lediglich einige Verse halten ein Metrum mit einer Art Auftakt durch, beispielsweise den Jambus (Vers 3) oder den Daktylus (Vers 14). Dies deutet auf eine Freiheit hin, die das lyrische Ich sich, trotz der sonst strengen Form, genommen hat. Dementsprechend wird die Haupt-Thematik nicht nur inhaltlich, sondern auch mithilfe der Form des Gedichtes vermittelt. Das lyrische Ich bleibt anonym und tritt dennoch motivierend auf, während es das lyrische Gegenüber direkt anspricht und auffordert, dieses Lebendmodell zu „behalte[n]“ (Vers 25), sein Leben danach auszurichten und es weiter zu „pflanzen“ (Vers 26).

Begonnen wird das Gedicht mit der Ankündigung, dass bedeutungsschwere Inhalte im Folgenden Verkündet würden (vgl. Vers 1). Um die Bedeutsamkeit der drei umschriebenen Wörter hervorzuheben, wurde dabei „Drei Worte“ (Vers 1) an den Anfang des Verses, der Strophe und vielmehr noch des Gedichtes gestellt, was eine Inversion hervorruft. Diese bedeutsamen Wörter sollten weiter verbreitet werden, so wird es bildlich durch die Personifikation der Wörter, die „von Munde zu Munde [gehen]“ (Vers 2) vom lyrischen Ich geschildert. Da in Vers 3 das Metrum des Jambus befolgt wird, wurde dort „stammen“ (Vers 3) vorgezogen, sodass die Betonung nun auf jenes Wort und somit auf der Herkunft dieser zuvor angekündigten drei Wörter liegt. Jene wird durch die Metapher „Das Herz nur gibt davon Kunde“ (Vers 4) beschrieben, welche besagt, dass die drei Wörter von den Emotionen eines jeden Menschen selbst geschaffen werde. Doch dies scheint antithetisch zu der vorherigen Ankündigung des lyrischen Ichs, welche besagte, dass es dem lyrischen Gegenüber diese Worte nennen würde, womit sie von außen kämen und nicht vom Inneren des lyrischen Gegenübers. Zieht man dieser Antithese noch die Bemerkung des lyrischen Ichs hinzu, dass der Wert eines Menschen verloren gehe, sobald dieser nicht mehr an diese Wörter glaube, dann scheint es fast schon gesellschaftskritisch. Denn aufgrund der Tatsache, dass das lyrische Ich dem lyrischen Gegenüber diese Worte erst nennen muss, obwohl sie gewöhnlich von innen kämen, zeigt, dass das lyrische Gegenüber, nach der Definition des lyrischen Ichs, keinen Wert mehr habe oder - in anderen Worten - keine Würde mehr besitze.

Doch da das lyrische Ich ihm die drei Worte nennen möchte, so versucht es das lyrische Gegenüber wieder auf den rechten Weg zu geleiten. So sei „Der Mensch […] frei geschaffen“ (Vers 7), meint das lyrische Ich und betont in diesem Satz vor allem die Freiheit, indem es „ist frei“ (Vers 7) wiederholt nutzt. Zugleich entsteht durch diesen zweiten Bezug ein Zeugma, welches somit betont, dass nicht nur der Mensch selbst frei ist, sondern auch sein Schaffensprozess frei war. Doch die Metapher des zweiten Verses der zweiten Strophe nimmt die Situation zur Grundlage, dass der Mensch eventuell doch in Gefangenschaft geboren sein könnte, jene wird durch die „Ketten“ (Vers 8) symbolisiert. In diesem Fall, so das lyrische Ich, sollte der Mensch sich nicht vor der Freiheit fürchten, auch wenn er „des Pöbels Geschrei“ (Vers 9) bereits erlebt habe, was die absolute Ausschöpfung der Freiheit und somit die Einschränkung anderer in ihrer Freiheit metaphorisch beschreibt. Ebenso sollte man sich nicht von dem Missbrauch der Freiheit, welche in der Metapher als „rasende Toren“ (Vers 10) beschrieben wird, abbringen lassen von der eigenen Nutzung seiner persönlichen Freiheit. Die Metapher vom „Sklaven, […der…] die Kette bricht“ (Vers 11) beschreibt diesen metaphorischen Ausbruch aus der Gefangenschaft, stellt ihn bildlich und für jeden verständlich dar, erzeugt allerdings auch eine gewisse Angst davor. Denn sobald alle Sklaven von ihrer Freiheit Gebrauch machen, so wird das System stürzen, doch das lyrische Ich sagt: „Vor dem freien Menschen erzittert nicht“ und fordert somit ein Umdenken und die Akzeptanz der Freiheit aller Menschen, um die eigene innere Freiheit zu erlangen. Dieser Bezug der beiden Verse zeigt sich zudem in der Anapher „Vor dem […] Vor dem“ (Vers 11-12) und dem Zeugma, welches sowohl die Sklaven, als auch die freien Menschen auf das Verb „erzittert nicht“ (Vers 12) bezieht und sie somit gleichstellt.

In der dritten Strophe widmet sich das lyrische Ich der Tugend, welche „kein leerer Schall“ (Vers 13) sei, so das lyrische Ich. Der leere Schall steht dabei für Gerede, welches nicht faktenbasiert ist, womit die Verneinung, dass es eben „kein leerer Schall“ (Vers 13) sei, zu einer Litotes macht. Damit verneint das lyrische Ich bereits vorsorglich die Aussage möglicher anderer Ansichten. Dies macht eine Entkräftung dieser Behauptung äußerst schwierig. Doch das lyrische Ich setzt die Tugend nicht einfach bei jedem Menschen voraus, sondern besagt, dass man sie „üben [kann] im Leben“ (Vers 14). Durch die Inversion des Lebens ans Ende des Verses lässt „üben“ [V.14) nach vorne rücken, sodass eine Nähe zwischen dem Menschen und das Üben entsteht. Dadurch wird dem Menschen klar die Eigenschaft zugeschrieben, zu scheitern. Diese wird auch direkt im nächsten Vers thematisiert, denn „sollt er auch straucheln“ (Vers 15) ist eine metaphorische Darstellung des Scheiterns. Doch diese Metapher zeigt nicht nur das Hinfallen, welches durch das Straucheln ausgelöst wird, sondern setzt auch voraus, dass es möglich ist, wieder aufzustehen. Ebenso kann das Straucheln (vgl. Vers 15) lediglich Rückschläge darstellen, welche einen metaphorisch gesehen nicht zu Boden werfen, sondern lediglich ein paar Schritte in die falsche Richtung bedeuten, die aber auch wieder rückgängig gemacht werden können. Doch welches Ziel solle der Mensch verfolgen? Das lyrische Ich sagt, „Er k[ö]nn[e] nach dem göttlichen streben“ (Vers 16), womit bereits in der Strophe, die der Tugend gewidmet schien, der Glaube an Gott angesprochen wird. Warum das der Fall ist, lässt sich in den nächsten Versen erklären, welche den Zusammenhang zwischen Tugend und Gott beschreiben. Diese sind als Chiasmus aufgebaut, da sie zwei Gegensätze beschreiben, die den Menschen leiten. Zum einen der Verstand, welcher durchweg versucht die Tugend zu üben (vgl.V.17), und zum anderen die „Einfalt ein[es] kindlich Gemüt[s]“ (Vers 18), jene scheint sowohl die Willkür, als aber auch die Freiheit zu symbolisieren, da das kindliche Gemüt noch unter keinen gesellschaftlichen Zwängen lebt. Somit wird hier der Zusammenhang aller „Drei Worte“ (Vers 1) erklärt, welcher darin besteht, dass Freiheit und Tugend sich gegenseitig ergänzen und einschränken, aber mit einiger Übung durch den Menschen die rechte Balance gefunden werden kann, um nach dem Göttlichen zu streben.

Warum das Göttliche solch eine große Bedeutung habe und erstrebenswert sei, das wird in der vierten Strophe geklärt. Auffällig ist gleich am Anfang die scheinbare Ellipse „Und ein Gott ist“ (Vers 19), welche zum einen das lyrische Gegenüber dazu auffordert den Satz zu beenden und Gott in seinen Augen zu beschreiben, zum anderen aber auch als vollwertiger Satz gedeutet werden kann, welcher dann beschreiben würde, dass Gott existiert und somit beständig sei. Und durch diesen ewig existierenden Gott „[lebe] ein heiliger Wille“ (Vers 19), welcher als Symbol des Schicksals zu verstehen ist, welches Schiller oft als Gewinn innerer Freiheit beschreibt und somit das ausbalancierte Zusammenspiel zwischen Tugend und Freiheit, welche also erneut als göttliches Ziel definiert werden, da es der heilige Wille sei. Dem heiligen Willen stehe allerdings „der menschliche wanke[nde]“ (Vers 20) gegenüber, wenn der Mensch aber nach dem göttlichen (Willen) strebe, so strebe er nach dem beständigen und ruhigen statt nach dem Chaos. Diese Ewigkeit und Beständigkeit wird auch ein weiteres Mal beschrieben mit den Worten „Hoch über der Zeit und dem Raume webt Lebendig der höchste Gedanke“ (Vers 21-22). Dabei ist aber auch die Rede von der Transzendenz Gottes, welche ihn für den Menschen unerklärlich erscheinen lässt. Diese Aussage lässt manch einen Menschen zweifeln, doch nicht das lyrische Ich, welche den Gedanken, welcher eine Umschreibung für den heiligen Willen ist und somit metaphorisch für Gott steht, als „Lebendig“ (Vers 22) beschreibt, was eine Personifikation des Gedanken darstellt. Doch dies zeigt wieder den Glauben des lyrischen Ichs, dass ein Gott existiere und dieser aktiv in das Geschehen eingreifen könne und ein Bewusstsein, sowie einen Plan für den Menschen habe. Die letzten Verse der Strophe zeigen metaphorisch diese Rolle Gottes, welche die Antithese zu dem „ewigen Wechsel“ (Vers 23), der Unruhe der Menschen, als „ruhiger Geist“ (Vers 24) darstellt, welcher „beharret“ (Vers 24) und somit immer dem einen entgültigen Ziel folgt. Darüber hinaus wird dieses Wechselspiel des Chaos und der Ruhe in der Struktur der Verse deutlich, welche ein Chiasmus bilden und somit die beiden Attribute spiegel seitig gegenüberstellen.

Die letzte Strophe ist der ersten sehr ähnlich, fast schon eine Wiederholung der ersten Strophe, ein sich über das gesamte Gedicht ergreifende Kyklos, sodass diese Strophe dem lyrischen Gegenüber bereits bekannt vorkommt, was das Gefühl auslöst, dass der Inhalt wahr sein muss. Doch einige wenige Änderungen wurden vorgenommen: So heißt es nicht mehr „Sie gehen von Munde zu Munde“ (Vers 2), sondern „Sie pflanzet von Munde zu Munde“ (Vers 26), was den Prozess des Weitergebens vom Passiven ins Aktive holt, um als Aufforderung des lyrischen Gegenübers zu dienen. Gleichzeitig wurde das Akkusativobjekt „Sie“ (Vers 26) aus dem eigentlichen Satzbau „pflanzet [Sie]“ (Vers 26) nach vorne gezogen, um den Satzbau dem des zweiten Verses anzupassen, wo das „Sie“ (Vers 2) noch das Subjekt ist. Interessant ist aber vor allem die Wortwahl des Pflanzens, da dies eine Metapher darstellt (vgl. V.26). Die Wörter oder vielmehr diese Lebenseinstellung haben also sowohl die Eigenschaft eingepflanzt werden zu können, also weitergelehrt zu werden, als auch zu wachsen und letztlich sich weiter fortzupflanzen, sodass die Lehre durch das jeweilige Individuum weiterentwickelt werden kann und größer, bedeutungsvoller werden kann. Im nächsten Vers wird die Notwendigkeit, dass dies erst gelehrt werden muss auch betont, indem ein „gleich“ (Vers 27) ergänzt wurde, da anfangs diese Lehre nicht vorhanden zu sein scheint und erst erlernt werden muss. Im darauffolgenden Vers wurde dagegen „Das Herz“ (Vers 4) durch „Euer Innres“ (Vers 28) getauscht, was das lyrische Gegenüber direkt durch das Pronomen anspricht, während es zuvor von einem unbestimmten Herzen sprach. Und schlussendlich wurden auch die letzten Verse zu einer hoffnungsvollen Aufforderung, statt des negativen Ausdrucks „Dem Menschen ist aller Wert geraubt, Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt“ (Vers 5-6). Denn dies lässt sich auch positiver ausdrücken, wie uns das lyrische Ich mit den Worten „Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt, solange er noch an die drei Worte glaubt“ (Vers 29-30) zeigt.

Letztlich zeigt sich also, dass das Gedicht vor allem eine Aufforderung ist, sich der Lehre der Freiheit, Tugend und Gott anzuschließen und diese weiterzuverbreiten. Denn es scheint dem lyrischen Ich, dass die Gesellschaft gefangen ist und keine Tugend ausüben kann, womit ihnen die Humanität zu fehlen scheint und sie dringend durch die genannten Wertvorstellungen befreit werden müssten.

Die Epoche der Klassik, lässt sich also letztlich vor allem inhaltlich in der Tugend als Humanitätskompass und der schicksalhaften Fügung durch Gottes Willen erkennen, ebenso wie an dem Gewinn innerer Freiheit, zu der das lyrische Ich auffordert und dem Belehrungscharakter des Gedichtes. Doch wird das lyrische Gegenüber auch aufgefordert, die Lehre weiterzuentwickeln, womit das lyrische Gegenüber wächst und zum Träger der Wertvorstellungen wird, so die Lehre der Klassik. Auch die Syntax, mit all ihren Inversionen und Verweisen, ist hypotaktisch aufgebaut und rhetorische Figuren, besonders Metaphern, sind zu hauf zu finden, wie es in der Klassik üblich war. Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass das Gedicht nicht metrisch gebunden ist, was zwar durch die Freiheit, die sich darin zeigt, begründet werden kann, aber dessen ungeachtet für die Epoche der Klassik untypisch ist. Jedoch ist gerade die thematische Verzahnung der Leitbegriffe mit der Struktur des Gedichtes typisch, was wir hier im Kreuzreim mit Gott, dem Paarreim und der Tugend und dem Metrum mit der Freiheit sehen.

Letztlich ist die Lehre des lyrischen Ichs weiterhin von Bedeutung, wenn auch der Fokus in der jetzigen Coronakrise mehr auf der Balance zwischen Freiheit und Tugend, oder wie man es vielleicht in der Krise eher genannt wird, der Solidarität. Es werden einige Freiheitsrechte zur Solidarität eingeschränkt, womit die beiden Werte außer Balance zu geraten scheinen. Jedoch muss man auch bedenken, dass dieser Zustand temporär und zudem von äußeren Umständen geschuldet ist, während der Zustand der Gesellschaft im Gedicht eher als selbst verschuldet kritisiert wird. Was allerdings auffällt, ist der Bezug zum Göttlichen im Gedicht, welcher in der Neuzeit immer weniger zu finden ist.

Nicht aber zu der Zeit Goethes, welcher 1789 das Gedicht „Grenzen der Menschheit“ ebenfalls zeitlich in den Epochen Sturm und Drang und der Weimarer Klassik verfasste. Einzuordnen ist das als Ode geschriebene Gedicht durch die Botschaft eher in die Weimarer Klassik, da es vom Verhältnis der Menschheit mit dem Göttlichen handelt, sowie das Verhalten der Menschen gegenüber der höher gestellten Macht. Im Gegensatz zu der Ballade „Die Worte des Glaubens“, welche vorrangig belehrt und auf den rechten Weg lenken will, um nach dem Göttlichen zu streben, unterwirft sich der Mensch in der Ode „Grenzen der Menschheit“ vollkommen dem Göttlichen, was in der Ehrfurcht der Handlung zu sehen ist, dass das lyrische Ich „den letzten Saum [s]eines Kleides [küsst]“ (Vers 7-8), ebenso wie in der Metapher „kindliche Schauer Treu in der Brust“ (Vers 9-10), welche die kindliche Ehrfurcht vor etwas Größerem zeigt. So wird hier die Göttlichkeit sehr stark gewürdigt und gepriesen, was die Form der Ode hervorruft.

Es ist zudem eine offene Struktur des Gedichtes zu finden, da es zwar ebenso wie bei der Ballade 5 Strophen gibt, diese aber an Versen verlieren. Während Strophe eins und zwei noch jeweils 10 Verse haben, besitzen Strophe drei und vier nur jeweils 8 Verse und die letzte Strophe schließlich lediglich 6 Verse. Diese begrenzende Struktur korrespondiert mit dem Inhalt, welcher zum Ende hin von einem metaphorischen Ring (vgl. Vers 37) spricht, welcher „unser Leben [begrenze]“ (Vers 38) und als Grenzmarkierung der menschlichen Macht, welche sich im Tod zeigt, darstellen ließe. Da aber auch kein Reimschema und eine unregelmäßige Kadenz vorhanden sind, welche die Verse verbinden, wurde bei der Ode auf ein alternierenden Daktylus als Metrum zurückgegriffen, womit der Aufbau sehr gegenteilig zu der Ballade Schillers erscheint.

Gleichzeitig ist die Ode aber auch ähnlich wie die Ballade reichhaltig an Metaphern, wie den „rollenden Wolken“ (Vers 4), welche ein Unwetter verbildlichen oder das Aufsteigen des Menschen bis zu „dem Scheitel der Sterne“ (Vers 16), was nichts anderes bedeutet, als dass der Mensch sich Gott gleichstellt, um dann keinen Halt zu finden (vgl. V.17-18) und somit keine Grundlage mehr zu haben, da der Mensch sich bis zur Transzendenz erhoben hat und somit „Wolken und Winde“ (Vers 20) ausgeliefert zu sein (vgl. Vers 19), welche ebenfalls personifiziert werden, da sie mit ihm „spielen“ (Vers 19). Da dieses Bewusstsein hinter dem Wetter meist Göttern zugeschrieben wird, wird in der Ode dem Göttlichen ebenfalls eine große Macht zugeschrieben, jedoch weniger die Ruhe und Stetigkeit, die es in der Ballade verkörpert, als vielmehr eine Art von Willkür oder einem kindlichen Gefallen mit den kleinen Figuren, die die Menschen in der Darstellung zu sein scheinen, zu spielen.

Die Frage welcher Religion die jeweilige Anschauung zugeschrieben werden kann, kann zwar bei beiden Gedichten nicht ganz geklärt werden, jedoch hat die Ballade mit der Aussage „ein Gott ist“ (Vers 19) eine eindeutige Tendenz zum Monotheismus. Die Ode dagegen beschreibt das Göttliche unterschiedlich: Zum einen wird der christlich geprägte Begriff „heiliger Vater“ (Vers 2) verwendet, zum anderen kann dieser auch besonders in Zusammenhang mit den „Segnenden Blitze[n]“ (Vers 5) als der Göttervater Zeus des griechischen Polytheismus gedeutet werden. Später wiederum kommt die Frage auf, „Was […] Götter von Menschen [unterscheidet]“ (Vers 29-30), wo wiederum im Plural von Göttern gesprochen wird. Die Antwort jedoch scheint eine Anspielung auf Moses, der das rote Meer in der Geschichte der Bibel teilte, denn die Ode besagt, „Dass viele Wellen Vor jenen wandeln“ (Vers 31-32), womit wieder ein Bezug zum Christentum hergestellt wird.

Letztlich wird allerdings mit beiden Gedichten versucht Wertvorstellungen und Verhaltensweisen zu lehren, in der Ballade Schillers sind es vor allem Freiheit, Tugend und den Glauben an das Göttliche und in der Ode Goethes die Ehrfurcht vor dem Göttlichen und die Aufforderung sich mit nichts zu vergleichen. Der Belehrungscharakter als Gemeinsamkeit hat dabei Ursprung in der Epoche der Klassik, welche den Menschen wieder in die richtige Richtung erziehen wollte. In Fragen der Struktur stehen sich die Gedichte jedoch spiegelbildlich gegenüber, hat die Ballade ein Reimschema, hat die Ode keines und das bei fast allen Strukturen, lediglich die Strophenanzahl ist dieselbe. Doch was bleibt, ist die Aufforderung Schillers lyrisches Ichs sich zu befreien und autonom unter der Tugend nach dem göttlichen zu streben, während Goethes lyrisches Ich vor zu viel Hochmut und Machtstreben warnt und eine Mäßigung dessen von den Menschen erreichen möchte.

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