Der Main von Johann Christian Friedrich Hölderlin

Wohl manches Land der lebenden Erde möcht
Ich sehn, und öfters über die Berg enteilt
Das Herz mir, und die Wünsche wandern
Über das Meer, zu den Ufern, die mir
 
Vor andern, so ich kenne, gepriesen sind;
Doch lieb ist in der Ferne nicht Eines mir,
Wie jenes, wo die Göttersöhne
Schlafen, das trauernde Land der Griechen.
 
Ach! einmal dort an Suniums Küste möcht
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Ich landen, deine Säulen, Olympion!
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Erfragen, dort, noch eh der Nordsturm
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Hin in den Schutt der Athenertempel
 
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Und ihrer Götterbilder auch dich begräbt;
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Denn lang schon einsam stehst du, o Stolz der Welt,
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Die nicht mehr ist! - und o ihr schönen
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Inseln Ioniens, wo die Lüfte
 
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Vom Meere kühl an warme Gestade wehn,
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Wenn unter kräftger Sonne die Traube reift,
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Ach! wo ein goldner Herbst dem armen
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Volk in Gesänge die Seufzer wandelt,
 
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Wenn die Betrübten itzt ihr Limonenwald
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Und ihr Granatbaum, purpurner Äpfel voll,
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Und süßer Wein und Pauk und Zithar
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Zum labyrinthischen Tanze ladet
 
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Zu euch vielleicht, ihr Inseln! gerät noch einst
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Ein heimatloser Sänger; denn wandern muß
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Von Fremden er zu Fremden, und die
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Erde, die freie, sie muß ja, leider!
 
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Statt Vaterlands ihm dienen, solang er lebt,
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Und wenn er stirbt - doch nimmer vergeß ich dich,
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So fern ich wandre, schöner Main! und
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Deine Gestade, die vielbeglückten.
 
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Gastfreundlich nahmst du, Stolzer! bei dir mich auf
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Und heitertest das Auge dem Fremdlinge,
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Und still hingleitende Gesänge
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Lehrtest du mich und geräuschlos Leben.
 
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O ruhig mit den Sternen, du Glücklicher!
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Wallst du von deinem Morgen zum Abend fort,
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Dem Bruder zu, dem Rhein, und dann mit
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Ihm in den Ozean freudig nieder!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Main“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
270
Entstehungsjahr
1770 - 1843
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Main“ wurde von Johann Christian Friedrich Hölderlin verfasst, der von 1770 bis 1843 lebte. Hölderlin gehört zur Epoche der Romantik und gilt als einer der bedeutendsten deutschen Lyriker.

Auf den ersten Blick zeigt das Gedicht eine ausdrückliche Wanderlust und Fernweh des lyrischen Ichs. Es hat einen starken Wunsch, verschiedene Länder und Kulturen zu erleben, vor allem das alte Griechenland mit seiner reichen Geschichte und Kultur.

Das lyrische Ich spricht im Gedicht davon, verschiedene Länder zu sehen und seinen Wunsch, Griechenland zu besuchen. Es vergleicht die Schönheit und Kultur verschiedener Länder mit seiner Heimat und sehnt sich danach, der Heimat fern zu sein. Gleichzeitig spricht es auch von der Sehnsucht nach der Heimat, insbesondere dem Main und seinen Ufern. Das lyrische Ich hat auch einen Wunsch, die Ruinen von Athen zu sehen, bevor sie vollständig zerstört werden. Darüber hinaus drückt es eine traurige Akzeptanz aus, immer auf der Suche sein zu müssen, sowohl räumlich als auch emotional, solange es lebt.

Das Gedicht besteht aus zehn vierzeiligen Strophen, die einen regelmäßigen Rhythmus aufweisen. Die Sprache ist bildreich und emotional geladen. Es gibt viele Anspielungen auf die griechische Mythologie und Kultur, was die starke Verbundenheit des lyrischen Ichs mit diesem Land und seiner Kultur zeigt. Der Fluss Main wird personifiziert und als gastfreundlicher Begleiter präsentiert, der das lyrische Ich in seinen Gesängen und seiner Art zu leben unterweist.

Die Wahrnehmung von Ort und Raum in diesem Gedicht spielt eine wichtige Rolle. Sie zeigt die Sehnsucht des lyrischen Ichs nach Distanz und gleichzeitig die tiefe Verbundenheit zur Heimat. Darüber hinaus zeigt das Gedicht eine melancholische Sichtweise auf die Vergänglichkeit von Kultur und Geschichte und auf die Einsamkeit des Individuums in einer sich ständig verändernden Welt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Main“ des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin. 1770 wurde Hölderlin in Lauffen am Neckar geboren. In der Zeit von 1786 bis 1843 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das vorliegende Gedicht umfasst 270 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. Die Gedichte „Das Schicksal“, „Das Unverzeihliche“ und „Dem Genius der Kühnheit“ sind weitere Werke des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin. Zum Autor des Gedichtes „Der Main“ haben wir auf abi-pur.de weitere 181 Gedichte veröffentlicht.

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