Königin Eleonorens Beichte von Theodor Fontane

Todkrank lag Königin Eleonor',
Sie wußte, daß schlecht es stünde:
»Schickt mir zwei Mönche von Frankreich her,
Daß ich beichte meine Sünde.«
 
Der König rief seine Haushalt-Lords,
Seinen ersten und seinen zweiten:
»Ich will Leonorens Beichtiger sein,
Lord Marschall, du sollst mich begleiten.«
 
»Lord Marschall, steh auf, ich verpfände mein Wort
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Woll' mir zuvor versprechen,
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Was auch die Königin beichten mag,
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An mir es nimmer zu rächen.«
 
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»Lord Marschall, steh auf, ich verpfände mein Wort
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Und ganz England zu meinen Füßen,
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Was auch die Königin beichten mag,
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Du sollst es nimmer büßen.
 
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Wir legen an ein mönchisch Gewand
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In Kapuze und grauem Kleide,
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So kommen wir betend von Frankreich her
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Und hören die Beichte beide.«
 
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Sie legten an ein mönchisch Gewand;
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Als gen Whitehall sie schritten,
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Des Volkes Menge begleitete sie
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Mit Kniefall und frommen Bitten.
 
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Sie traten hin vor die Königin
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Und sprachen mit Händefalten:
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»Vergib, es haben Wetter und Wind
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Unsren Dienst zurückgehalten.«
 
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»Wenn ihr zwei Mönche von Frankreich seid,
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Kann ich euer Säumen nicht schelten;
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Wenn ihr zwei englische Mönche seid,
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Sollt ihr's am Leben entgelten.«
 
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»Wir sind zwei Mönche von Frankreich her,
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Drum beichte ohne Bangen,
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Wir haben noch keine Messe gehört,
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Seit wir zu Schiff gegangen.«
 
37 
»Die erste Sünde, die ich beging,
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Hat andre groß gezogen:
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Lord Marschall hab' ich zuvor geliebt
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Und den König hab' ich betrogen.«
 
41 
»Eine schwere Sünde! ich löse sie doch
42 
In Gottes und Christi Namen.«
43 
Der König spricht's, Lord Marschall bebt
44 
Und murmelt: »Amen, Amen.«
 
45 
»Die zweite Sünde, die ich beging,
46 
Die will ich zum andern bekennen
47 
Ich mischt' einen Trunk, der sollte mich rasch
48 
Von König Heinrich trennen.«
 
49 
»Eine schwere Sünde! ich löse sie doch
50 
In Gottes und Christi Namen.«
51 
Der König spricht's, Lord Marschall bebt
52 
Und murmelt: »Amen, Amen.«
 
53 
»Die dritte Sünde, die ich beging,
54 
Die will zum dritten ich beichten,
55 
Meine Hände waren's, die Becher und Gift
56 
An Rosamunden reichten.«
 
57 
»Eine schwere Sünde! ich löse sie doch
58 
In Gottes und Christi Namen.«
59 
Der König spricht's, Lord Marschall bebt
60 
Und murmelt: »Amen, Amen.«
 
61 
»Seht in der Halle den Knaben dort,
62 
Er spielt mit dem Federballe,
63 
Das ist Lord Marschalls ältester Sohn,
64 
Und ich lieb' ihn mehr als alle.
 
65 
Und seht in der Halle den zweiten dort,
66 
Er hascht nach dem fliegenden Balle,
67 
Das ist König Heinrichs jüngster Sohn,
68 
Und ich haß' ihn mehr als alle.
 
69 
Er hat einen Kopf wie ein Warwick-Stier
70 
Und ist täppisch wie ein Bär«;
71 
»Mag sein«, rief König Heinrich da,
72 
»Ich lieb' ihn desto mehr.«
 
73 
Ab riß er Kapuze und Mönchsgewand,
74 
Sein Antlitz war blutrot,
75 
Leonore schrie auf und rang die Händ'
76 
Ihre Beichte war ihr Tod.
 
77 
Der König über die Schulter sah,
78 
Vielgrimmig sah er drein:
79 
»Lord Marschall, wär's nicht um mein Wort,
80 
Du solltest gehangen sein.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.1 KB)

Details zum Gedicht „Königin Eleonorens Beichte“

Anzahl Strophen
20
Anzahl Verse
80
Anzahl Wörter
454
Entstehungsjahr
1819 - 1898
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

„Königin Eleonorens Beichte“ ist ein Gedicht von Theodor Fontane, einem deutschen Schriftsteller der Epoche des Realismus. Fontane lebte von 1819 bis 1898.

Auf den ersten Blick handelt es sich um ein dramatisches Gedicht mit einer starken Spannung und Tragik. Die Erzählung wird meisterhaft in Versform dargestellt und zeichnet sich durch eine dichte Atmosphäre und eine spannungsgeladene Handlung aus.

Inhaltlich geht es um die todkranke Königin Eleonor, die zwei Mönche aus Frankreich zu sich ruft, um ihre Sünden zu beichten. Stattdessen entscheidet jedoch der König, zusammen mit dem Lord Marschall, in Mönchsgewändern ihre Beichte entgegen zu nehmen. Die Königin beichtet ihre Vergehen, unter anderem ihre untreue Liebe zu Lord Marschall, den sie vor dem König geliebt hat, und auch dass sie versucht hat, den König zu töten. Nach der Beichte enthüllt der König seine wahre Identität, die Königin stirbt vor Schreck und Lord Marschall entkommt seiner wohl verdienten Bestrafung nur knapp.

Das lyrische Ich agiert hier als allwissender Erzähler, der die Handlung und die Emotionen der Charaktere darstellt.

In Bezug auf die Form und Sprache des Gedichts ist zu bemerken, dass „Königin Eleonorens Beichte“ in Strophen- und Versform mit festem Reimschema geschrieben ist. Es besteht aus zwanzig Viererversen, die sowohl den Dialog zwischen den Charakteren als auch die allgemeine Handlung beinhalten. Die Sprache ist recht einfach und unverschnörkelt, was die Geschichte und ihre Tragik in den Vordergrund rückt. Drama und Spannung werden durch den Wechsel zwischen Dialog und Beschreibung hervorragend aufgebaut. Die Mischung aus direkter Rede und epischer Erzählung verleiht dabei dem Gedicht seine Lebendigkeit.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Königin Eleonorens Beichte“ ist Theodor Fontane. Fontane wurde im Jahr 1819 in Neuruppin geboren. Im Zeitraum zwischen 1835 und 1898 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Fontane handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 80 Versen mit insgesamt 20 Strophen und umfasst dabei 454 Worte. Weitere Werke des Dichters Theodor Fontane sind „Aber es bleibt auf dem alten Fleck“, „Afrikareisender“ und „Alles still!“. Zum Autor des Gedichtes „Königin Eleonorens Beichte“ haben wir auf abi-pur.de weitere 214 Gedichte veröffentlicht.

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