An Emilie von Theodor Fontane

Da draußen schneit es: Schneegeflimmer
Wies heute mir den Weg zu Dir;
Eintret’ ich in Dein traulich Zimmer,
Und warm an’s Herze fliegst Du mir –
Abschüttl’ ich jetzt die Winterflocken,
Abschüttl’ ich hinterdrein die Welt, –
Nur leise noch von Schlittenglocken
Ein ferner Klang herübergellt.
 
Nun ist es still; nun laß uns kosen:
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Du legst Dein Haupt auf meinen Schooß,
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Ich aber knüpf’ in leichtem, losen
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Getändel Dir die Flechten los.
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Du zürnst; warum? Du glaubst zu müssen,
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Und schwörst: „nie wieder einen Kuß!“
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Da weiß ich, daß ich rasch mit Küssen
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Die krause Stirn Dir glätten muß.
 
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„Nun aber komm, nun laß uns plaudern
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Vom eignen Herd, von Hof und Haus!“
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Da baust Du lachend, ohne Zaudern,
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Bis unter’s Dach die Zukunft aus;
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Du hängst an meines Zimmers Wände
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All meine Lieblingsschilderein, –
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Ich seh’s und streck danach die Hände,
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Als müss’ es wahr und wirklich sein.
 
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So flieht des Abends schöne Stunde,
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Vom fernen Thurm tönt’s Mitternacht,
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Die Mutter schläft, in stiller Runde
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Nur noch die Wanduhr pickt und wacht.
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„Ade, mein Lieb!“ von warmen Lippen
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Ein Kuß noch, – dann in Nacht hinein:
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„Das Leben lacht, trotz Sturm und Klippen,
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Nur Steurer muß die Liebe sein.“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „An Emilie“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
200
Entstehungsjahr
1851
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An Emilie“ wurde von Theodor Fontane, einem deutschen Schriftsteller und Journalisten, verfasst. Fontane lebte von 1819 bis 1898, eine Zeit des Umbruchs und der sozialen Veränderungen, dies spiegelt sich jedoch nicht explizit in diesem Gedicht wider, welches von einer romantisierenden Liebessituation erzählt.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht sehr romantisch und anrührend. Es schildert eine Szene zwischen dem lyrischen Ich und Emilie, eine offenbar geliebte Person.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht einen Wintertag. Das lyrische Ich kommt in Emilies Zimmer, das warm und einladend ist. Es schüttelt den Schnee und die Sorgen der Welt ab und genießt die Gegenwart von Emilie. Sie erzählt von ihren Träumen und Wünschen für die Zukunft, die so real erscheinen, dass das lyrische Ich nach ihnen greifen möchte. Anschließend verabschieden sie sich für den Tag und der Sprecher deutet an, dass trotz der Herausforderungen des Lebens, die Liebe stets der Steuerer sein sollte.

Die Form des Gedichtes ist vierstrophig aufgebaut. Jede Strophe besteht aus acht Versen und der Reim ist in einem durchweg regelmäßigen Kreuzreim gehalten. Die Sprache ist gefühlsbetont und die Stimmung ist durchweg positiv und liebevoll. Es wird eine bildliche Sprache für greifbare Metaphern verwendet: der Schnee steht für die Kälte und Unbarmherzigkeit der Außenwelt, Emilie und ihr Zimmer symbolisieren Warmherzigkeit, Anziehung und Geborgenheit. Schlittenklingen und das Zurücklassen der Welt stehen symbolisch für das Loslassen des Alltäglichen und das Eintauchen in die Liebe und Zweisamkeit.

Die bildgewaltige und unter die Haut gehende Art der romantischen Lyrik, wie sie Fontane in „An Emilie“ in bester Weise zeigt, ist charakteristisch für die Biedermeier-Zeit, in der sich das Bürgertum eine private Idylle schuf, um den politischen Wirren und sozialen Missständen der Zeit zu entkommen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An Emilie“ des Autors Theodor Fontane. Im Jahr 1819 wurde Fontane in Neuruppin geboren. 1851 ist das Gedicht entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Realismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Fontane handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 200 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Weitere Werke des Dichters Theodor Fontane sind „Am Jahrestag“, „An Bettina“ und „An Lischen“. Zum Autor des Gedichtes „An Emilie“ haben wir auf abi-pur.de weitere 214 Gedichte veröffentlicht.

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