Königgrätz von Theodor Fontane

Sie höhnten uns, sie glaubten es zu dürfen;
Was Langmut war, sie nahmen's hin als Schwäche,
Sie warfen uns, zerdeutelt und zerrissen,
Versprechen und Verträge vor die Füße,
Und als in Ruh wir dann das Wort gesprochen:
»Laßt uns, was unser sein muß, nehmt das Eure«,
Da drohten sie: »Versucht's, wir sind am Platz;
Es kost't euch Schlesien und die Grafschaft Glatz.«
 
Das war zu viel. Es klang zurück die Antwort:
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»Wollt ihr den Krieg, wohlan, ihr sollt ihn haben!«
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Und nieder von den Bergen Schlesiens, Sachsens,
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Auf Wegen, die der Ruhm uns vorgezeichnet,
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An Stätten hin, die Siegesnamen tragen,
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In Böhmens Kessel stieg das Preußenheer.
 
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Ein heißer Kessel! Manches Kriegeswatter
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In Tag und Jahren, die nun rückwärts liegen,
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Hat drin die Junihitze schon gebraut,
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Doch solche Wetter, wie sie jetzt sich türmen
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Und Tag um Tag sich grollender entladen,
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Sind selbst in diesem Böhmerkessel neu.
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Bei Podol - Mondlicht lag auf allen Feldern
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Zerbricht wie Glas die Eiserne Brigade;
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Bei Nachod, in drei Tage langem Ringen,
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Hält Löwe Steinmetz seine Beute fest;
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Und hügelan - Clam-Gallas mußte fliehn
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Stürmt Friedrich Karl die Straße von Gitschin.
 
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So stand das Spiel; ein siebenfaches Siegen
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In sieben Tagen. »Wird der Sieg uns bleiben?«
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So zwischen Furcht und Hoffnung ging die Frage;
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Noch fehlte die Entscheidung, doch sie kam.
 
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Da, wo die Elbe, die sich nordwärts windet,
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Auf kurze Strecke wieder südwärts fließt,
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Auf weitem Feld, umstellt von Hügelkuppen,
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Bei Festung Königgrätz entbrennt die Schlacht.
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An stürmen unter Trommelklang und Pfeifen
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Von Altmark, Magdeburg die Regimenter,
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Thüring'sche Bataillone, dicht geschlossen,
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Sie folgen unter Hurra - all vergeblich;
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Sie dringen vor, sie jubeln und sie fall'n.
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Der Regen fällt in Strömen, schon ist Mittag,
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»Wo bleiben sie?« Es fragen's nicht die Lippen,
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Es fragt's nur still das Herz. Da horch, von Westen
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Und nun von Osten her in raschen Schlägen,
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Roll'n unsre Preußendonner durch die Luft.
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»Das sind sie!« geht ein Jubel durch die Reihen,
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»Das ist das achte Korps! das sind die Garden!«
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Und rechts und links des Feindes Flanke fassend,
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So reichen jetzt zwei neue Preußenheere
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Dem dritten übers Schlachtfeld hin die Hand.
 
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Im Feuer hält der siebzigjähr'ge König,
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Er sieht die Schale sich für Preußen neigen,
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Und sieh, zum letzten Stoße, der entscheidet,
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Erklingt sein Aufruf jetzt: »Nun, Manstein, vor!«
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Ein Hurra ist die tausendstimm'ge Antwort,
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Mit weh'nden Fahnen und mit kling'ndem Spiele
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An rücken all die Düppel-Bataillone,
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Es fällt kein Schuß, die Glieder halten Richtung,
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Und ihrem Stoß erliegt der Feind. Er flieht.
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Bunt wird das Feld von aufgelösten Massen,
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Geschütze, Wagenzüge und Kolonnen,
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Ein wirrer Knäuel, alles häuft sich, drängt sich;
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»Jetzt ist es Zeit!« und in die flieh'nden Massen
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Einhau'n die Unsern. Welch ein Spiel von Farben!
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Hier schwarz und weiß die Fähnlein der Ulanen,
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Hier silberfarbne Adler auf den Helmen,
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Hier rot und weiß die Zietenschen Husaren
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Ein glänzend Schauspiel, glänzender der Sieg.
 
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Ja, Sieg! Er hat die Herzen uns erhoben,
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Er gab uns viel, - er hat auch viel genommen;
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Ein Tag des Ruhmes, aber schwer erkauft.
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'nen Schleier über Not und Tod und Wunden;
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Es ziemt uns nicht, das Elend hier zu malen,
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Es ziemt uns nur, zu trösten und zu lindern.
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In Tod zu gehn war unsrer Brüder Pflicht
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Die unsre heißt: »Vergeßt zu helfen nicht!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.6 KB)

Details zum Gedicht „Königgrätz“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
75
Anzahl Wörter
542
Entstehungsjahr
1866
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht „Königgrätz“ stammt von dem deutschen Dichter Theodor Fontane, dem berühmten Vertreter des literarischen Realismus im 19. Jahrhundert. Angesichts des Entstehungsdatums kann das Gedicht dem literarischen Realismus zugeordnet werden.

Bei der ersten Lektüre hinterlässt das Gedicht den Eindruck einer militärischen Dokumentation, die eine Kriegsszene in lebhaften und detaillierten Bildern darstellt.

Inhaltlich geht es in „Königgrätz“ um die Schlacht von Königgrätz, die im Jahr 1866 stattfand und ein wichtiger Wendepunkt im Preußisch-Österreichischen Krieg war. Das lyrische Ich beschreibt die militärischen Auseinandersetzungen und zeigt gleichzeitig Respekt und Trauer für die gefallenen Soldaten. Dabei kommentiert es das Vorgehen der damaligen militärischen Führer und hinterfragt somit kritisch die Kriegspolitik.

Das Gedicht ist eine Mischform aus Epik und Lyrik und zeigt eine typische Einteilung in sieben Strophen mit variierender Anzahl von Versen. Die Sprache ist klar und bildhaft, sie bedient sich militärischer Begriffe und bringt die Emotionen und Gedanken des lyrischen Ichs zum Ausdruck.

Durch die Kombination von genauen historischen Fakten mit den emotionalen Reaktionen des lyrischen Ichs schafft Fontane ein lebendiges und eingängiges Bild der Ereignisse rund um die Schlacht von Königgrätz. Dabei deckt er sowohl die tragischen Aspekte des Krieges als auch die heroischen Taten der Soldaten ab und zeigt eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg, was typisch für Fontanes realistischen Schreibstil ist.

Weitere Informationen

Theodor Fontane ist der Autor des Gedichtes „Königgrätz“. Geboren wurde Fontane im Jahr 1819 in Neuruppin. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1866. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Realismus zuordnen. Der Schriftsteller Fontane ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 542 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 75 Versen. Weitere Werke des Dichters Theodor Fontane sind „Auf der Treppe von Sanssouci“, „Ausgang“ und „Barbara Allen“. Zum Autor des Gedichtes „Königgrätz“ haben wir auf abi-pur.de weitere 214 Gedichte veröffentlicht.

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