Das Douglas-Trauerspiel von Theodor Fontane
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»Zu Roß, Mylord! leg Waffen an |
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Und räch' unsres Hauses Schmach; |
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Lord William entführt unsre Tochter |
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Auf, auf, und den Flüchtigen nach. |
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Und zu Roß! meine sieben Söhne, |
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Und hinaus, und hinein in die Nacht, |
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Und eurer jüngsten Schwester |
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Habet besser Acht!« |
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Lady Douglas rief's. Sie fuhren all' auf, |
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Legten Helm und Waffen an: |
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Lord William und Lady Margret, |
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Die waren noch kaum von dann. |
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Er hob sie auf ein milchweiß Roß, |
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Ein Jagdhorn zu Seiten ihm hing, |
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Einen Apfelschimmel bestieg er selbst, |
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Und über die Heid' es ging. |
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Oft, über die linke Schulter hinweg, |
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Im Reiten er rückwärts sah, |
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Den Alten und seine Söhne |
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Ansprengen sah er da. |
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»Steig' ab, steig' ab, liebe Lady mein, |
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Und nimm mein Roß an die Hand, |
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Deinem Vater und deinen Brüdern |
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Muß ich nun halten Stand.« |
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Sie nahm sein Roß; hernieder rann |
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Keine Träne auf den Hag, |
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Bis neben ihren Brüdern |
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Ihr Vater im Blute lag. |
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»Halt ein, halt ein, Lord William, |
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Deine Streiche treffen zu schwer, |
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Ich fände wohl manchen Liebsten noch, |
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Einen Vater nimmermehr.« |
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Sie nahm aus dem Mieder ein weißes Tuch |
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Von niederländischem Lein, |
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Sie wusch ihres Vaters Wunden damit, |
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Die waren röter als Wein. |
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»Nun wähle, lieb' Lady, und wähle schnell: |
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Willst du gehn oder bleiben, sprich!« |
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»Ich will mit dir gehn, ich muß mit dir gehn, |
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Ich habe ja nur noch dich.« |
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Er hob sie auf ihr milchweiß Roß, |
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Auf der Heide lag Vollmondschein; |
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Seinen Apfelschimmel bestieg er selbst, |
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Und so ritten sie querfeldein. |
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Sie ritten feldein bei Mondenschein, |
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Im Schritt halb, halb im Trab; |
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Und als sie kamen an einen Quell, |
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Da stiegen sie langsam ab. |
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Sie wollten trinken; vorüber rann |
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Wie Silber die klare Flut, |
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Und als sich Lord William bückte, |
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Da wurde sie rot von Blut. |
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»Halt an, halt an, Lord William, |
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Du bist wund bis auf den Tod!« |
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»Es ist mein Scharlachmantel, |
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Der scheint im Wasser so rot. « |
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Sie ritten feldein bei Mondenschein, |
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Im Schritt halb, halb im Trab, |
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Und als sie kamen an sein Schloß, |
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Da stiegen sie langsam ab. |
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»Steh' auf, steh' auf, liebe Mutter mein, |
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Steh' auf und öffne das Tor, |
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Ich hab' mein Lieb gewonnen, |
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Und wir halten beide davor. |
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Und mache mein Bett, liebe Mutter, |
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Und ein zweites dicht daran; |
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Lady Margret muß dicht bei mir sein, |
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Auf daß ich schlafen kann.« |
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Lord William starb vor Mitternacht, |
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Lady Margret vor Tagesfrüh; |
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Man trug sie nach Sankt Marien hin, |
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Da standen drei Tage sie. |
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Er wurde begraben im Kirchenschiff |
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Und sie in der Halle vorn, |
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Eine Rose wuchs aus ihrem Grab, |
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Aus seinem ein Hagedorn. |
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Sie wuchsen hoch am Gewölb entlang |
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Als wären sie gern sich nah, |
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Und jeder sagte: »Zwei Liebende sind's!« |
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Wer sie so wachsen sah. |
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Bis endlich der schwarze Douglas kam, |
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Im Herzen Wut und Weh, |
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Der riß die beiden Sträucher heraus |
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Und schleuderte sie in den See. |
Details zum Gedicht „Das Douglas-Trauerspiel“
Theodor Fontane
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471
1819 - 1898
Realismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Das Douglas-Trauerspiel“ stammt von Theodor Fontane und wurde im 19. Jahrhundert, genauer im Biedermeier, verfasst. Bei einem ersten Blick auf das Gedicht fällt sofort die klare Struktur in Form von einzelnen Strophen mit jeweils vier Versen auf. Die Geschichte, die das Gedicht erzählt, trägt starke Merkmale einer mittelalterlichen Ballade mit Elementen von Ritterehre, Liebe, Tod und Vergänglichkeit.
Im Gedicht wird eine tragische Liebesgeschichte erzählt: Lord William entführt Lady Margret aus dem Haus Douglas. Margrets Familie, bestehend aus ihrem Vater und ihren sieben Brüdern, nehmen die Verfolgung auf, um die Ehre ihres Hauses wiederherzustellen. Sie stellt ihre Familie Lady Douglas zur Seite. Nach einem Kampf bleiben der Vater und die Brüder tot zurück. Margret ist daraufhin gezwungen, eine Entscheidung zwischen ihrer Familie und Lord William zu treffen, und begleitet Letzteren schließlich. Auf dem Weg zu seinem Schloss stellt sich heraus, dass Lord William schwer verletzt ist. Sie erreichen sein Schloss, wo er stirbt. Kurz nach seinem Tod, stirbt auch die Lady.
Fontanes Ballade ist durchzogen von starker visueller Vorstellungskraft, Spannung und dramatischer Ironie. Die Verse sind in einem einfacheren Deutsch gehalten, was die Geschichte klar und verständlich macht. Die Sprache ist typisch für die Balladen des Biedermeier: Einfach, aber dennoch eindrücklich und emotional aufgeladen.
Formal zeichnet sich das Gedicht durch einen prägnanten Rhythmus und Reim aus. Die vierzeiligen Strophen durchziehen das Gedicht gleichmäßig und schaffen ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit und Struktur. Jede Strophe folgt einem Kreuzreim Muster, das ein angenehmes Lesen ermöglicht und sich gut einprägt.
Die Ballade spielt mit Mittelalterklischees und Heroentum und nimmt zugleich eine subtile Kritik an den Regeln und Konventionen der feudalen Gesellschaft vor. Trotz ihrer Entscheidung für die Liebe, führt Margrets Schicksal am Ende nicht zur ersehnten Vereinigung mit Lord William, sondern zum Tod beider. Das Gedicht schließt mit einer Art Moral, eingebettet in die bildhafte Darstellung der Rosen und des Hagedorns, die aus den Gräbern der Liebenden wachsen, aber von Douglas brutal ausgerissen werden. Dies zeigt die zerstörerische Wucht der Ehrenkodexe und Traditionen dieser Zeit.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Das Douglas-Trauerspiel“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Theodor Fontane. Geboren wurde Fontane im Jahr 1819 in Neuruppin. Im Zeitraum zwischen 1835 und 1898 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Realismus zuordnen. Bei Fontane handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 471 Wörter. Es baut sich aus 21 Strophen auf und besteht aus 84 Versen. Der Dichter Theodor Fontane ist auch der Autor für Gedichte wie „An Marie“, „An meinem Fünfundsiebzigsten“ und „Auf der Treppe von Sanssouci“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Douglas-Trauerspiel“ weitere 214 Gedichte vor.
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