Bertrams Totengesang von Theodor Fontane

Sie schossen ihn tot um Mitternacht,
Wo das Steinkreuz ragt empor,
Und sie ließen ihn liegen in seinem Blut
Auf dem einsamen Heidemoor.
 
Sie ritten zu ihres Vaters Haus
Und sprachen: »Es ist geschehn:
Unsre Schwester, die zu oft ihn sah,
Soll ihn nicht wieder sehn.«
 
Am andern Morgen aber zurück
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Ritten sie zu der Stell',
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Und sie machten von Zweigen die Totenbahr'
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Und trugen ihn in die Kapell'.
 
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Ihre Schwester harrte des Zuges schon,
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Sie zerriß ihr langes Kleid,
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Ihre gelben Locken löste sie auf
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Und kniete an Bertrams Seit'.
 
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Sie holte geweihtes Wasser herbei
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Und wusch ihm die Wunden rein,
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Einen Kranz um die Brust, einen Kranz ins Haar
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»Nun«, sprach sie, »mag es sein!«
 
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Sie hüllten ihn ein in schneeweiß Lein
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Und trugen ihn dann zur Ruh',
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Die Mönche sangen die Totenmess'
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Und Litaneien dazu.
 
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Sie trugen ihn fort an den alten Ort,
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Die Nacht war still und bang;
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Es fiel der Tau, der Nebel zog
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Das Heidemoor entlang.
 
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Sie gruben sein Grab zwei Fuß tief nur,
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Wo das Kreuz gen Osten schaut,
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Und sie deckten ihn zu mit Ginstergestrüpp
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Und mit Moos und mit Farrenkraut.
 
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Der Mönche einer stand am Grab
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Und betete, bis es getagt;
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Und in der Kapelle singen sie,
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Solange das Steinkreuz ragt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Bertrams Totengesang“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
210
Entstehungsjahr
1819 - 1898
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Bertrams Totengesang“ ist verfasst von Theodor Fontane, der von 1819 bis 1898 lebte. Er war ein deutscher Schriftsteller und gilt als bedeutender Vertreter des Realismus. Dieses Gedicht lässt sich zeitlich in das 19. Jahrhundert einordnen.

Das Gedicht spricht zunächst an, dass ein Mann namens Bertram um Mitternacht erschossen wurde. Er wird auf dem Heidemoor liegen gelassen. Die Täter kehren zu ihrem Vaterhaus zurück und berichten, dass ihre Schwester, die Bertram oft gesehen hat, ihn nun nicht mehr sehen wird. Am nächsten Morgen kehren sie jedoch zurück, bauen aus Zweigen eine Totenbahre und tragen Bertram in eine Kapelle. Dort wartet ihre Schwester bereits auf sie. Sie zerreißt ihr Kleid, löst ihre Haare und kniet bei Bertram. Sie wäscht seine Wunden und schmückt ihn mit Kränzen. Danach wird er in ein Leinentuch gehüllt und zur Ruhe getragen. Mönche singen die Totenmesse, während Bertram zur Ruhe getragen wird. Sie tragen ihn fort an den ursprünglichen Ort, wo er erschossen wurde. Sie begraben ihn flach und decken ihn mit Pflanzen ab. Ein Mönch bleibt an seinem Grab und betet die ganze Nacht. In der Kapelle wird weiterhin für ihn gesungen, solange das Steinkreuz, wahrscheinlich ein Symbol für Bertrams Tod, steht.

Das lyrische Ich in diesem Gedicht ist in der Rolle eines Berichterstatters, der die Ereignisse rund um Bertrams Tod schildert. Theodor Fontane benutzt die dritte Person Singular, um Distanz zwischen dem Erzähler und den Charakteren zu schaffen. Es scheint als ob das lyrische Ich auf eine Tragödie hinweist, die aufgrund von Liebe, Betrug und fehlgeleiteter Gerechtigkeit entstanden ist.

Das Gedicht besteht aus neun Strophen mit jeweils vier Versen, welches der Form des Kreuzreims entspricht. In dem Gedicht findet man vorrangig Jamben, dabei handelt es sich um eine regelmäßige Abfolge von unbetonten und betonten Silben. Durch die Wahl dieser Form wird eine ruhige und gleichmäßige Atmosphäre geschaffen, die der Ernsthaftigkeit des Themas gerecht wird.

Die Sprache des Gedichts ist eher schlicht und unverschnörkelt, was den realistischen Charakter von Fontanes Werk unterstreicht. Gleichzeitig sind die Beschreibungen sehr bildhaft und erzeugen ein eindringliches Bild der Ereignisse um Bertrams Tod. Insgesamt erzeugt das Gedicht eine düstere und melancholische Stimmung und regt den Leser zum Nachdenken über Themen wie Liebe, Tod und Gerechtigkeit an.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Bertrams Totengesang“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Theodor Fontane. Geboren wurde Fontane im Jahr 1819 in Neuruppin. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1835 und 1898. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Fontane ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 210 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Theodor Fontane sind „An Emilie“, „An Lischen“ und „An Marie“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Bertrams Totengesang“ weitere 214 Gedichte vor.

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