Was mir fehlte von Theodor Fontane

Wenn Andre Fortunens Schiff gekapert,
Mit meinen Versuchen hat’s immer gehapert,
Auf halbem Weg’, auf der Enterbrücke,
Glitt immer ich aus. War’s Schicksalstücke?
War’s irgend ein großes Unterlassen?
Ein falsches die Sach’ am Schopfefassen?
War’s Schwachsein in den vier Elementen,
In Wissen, Ordnung, Fleiß und Talenten?
Oder war’s – ach, suche nicht zu weit,
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Was mir fehlte, war: Sinn für Feierlichkeit.
 
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Ich blicke zurück. Gott sei gesegnet,
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Wem bin ich nicht alles im Leben begegnet!
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Machthabern aller Arten und Grade,
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Vom Hof, von der Börse, von der Parade,
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„Damens“ mit und ohne Schnitzer,
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Portiers, Hauswirthe, Hausbesitzer,
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Ich konnte mich allen bequem bequemen,
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Aber feierlich konnt’ ich sie nicht nehmen.
 
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Das rächt sich schließlich bei den Leuten,
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Ein Jeder möchte was Rechts bedeuten,
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Und steht mal was in Sicht oder Frage,
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So sagt ein Reskript am nächsten Tage:
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„Nach bestem Wissen und Gewissen,
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Er läßt doch den rechten Ernst vermissen,
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Alle Dinge sind ihm immer nur Schein,
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Er ist ein Fremdling, er paßt nicht hinein,
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Und ob das Feierlichste gescheh’,
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Er sagt von Jedem nur: „Fa il Ré“.
 
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Suche nicht weiter. Man bringt es nicht weit,
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Bei fehlendem Sinn für Feierlichkeit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Was mir fehlte“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
194
Entstehungsjahr
1895
Epoche
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Was mir fehlte“ von Theodor Fontane stammt aus dem 19. Jahrhundert, dem literarischen Zeitalter des bürgerlichen Realismus.

Auf den ersten Blick kommt das Gedicht als eine Art Selbstreflexion des lyrischen Ichs daher, das seine Versäumnisse und Schwächen aus der Vergangenheit gesteht.

Das Gedicht lässt sich in vier Abschnitte bzw. Strophen unterteilen, in welchen das lyrische Ich eine Reihe von persönlichen Gründen aufzählt, die ihm im Weg standen, als andere das „Schiff der Fortuna“, also den Erfolg oder den Wohlstand, erlangten. Es gesteht ein, dass es oft auf halbem Wege ausrutschte und fragt sich, ob Kismet oder ein großes Unterlassen die Ursache dafür war. Obwohl es die Machthaber aller Arten und Grade traf, konnte es sie nicht ernst nehmen. Es erkennt, dass dieses Verhalten bei den Menschen Rache hervorruft, die ihr Recht anerkennen möchten. Doch das lyrische Ich geht weiterhin lässig mit allem um, weil es sich als ein Außenseiter fühlt und alles nur als Schein ansieht.

In den letzten zwei Versen wird klar, dass das Fehlen des „Sinns für Feierlichkeit“ das größte Hindernis für das lyrische Ich darstellt. Hier spielt Fontane auf seine eigene Haltung zur gesellschaftlichen Konformität und Ehrerbietung an. Mit dem Ausdruck „Sinn für Feierlichkeit“ ist möglicherweise eine Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen und Konventionen gemeint, die dem lyrischen Ich misslingt oder welche es auch ablehnt.

Formal besteht das Gedicht überwiegend aus zehnversigen Strophen mit Paarreim, was eine gewisse Regularität und Zugänglichkeit in der Form bietet. Die Sprache ist klar und direkt, mit alltäglichen Ausdrücken und einem gelegentlich ironischen Ton, der die Selbsterkenntnis des lyrischen Ichs unterstreicht. Es ist bemerkenswert, dass Fontane in diesem Gedicht die persönlichen Schwächen und Scheitern offen thematisiert und durch die Kombination von Humor und Ernst eine tiefe menschliche Wahrheit vermittelt.

Weitere Informationen

Theodor Fontane ist der Autor des Gedichtes „Was mir fehlte“. Im Jahr 1819 wurde Fontane in Neuruppin geboren. 1895 ist das Gedicht entstanden. In Stuttgart und Berlin ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Realismus zu. Bei Fontane handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 194 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Theodor Fontane ist auch der Autor für Gedichte wie „Afrikareisender“, „Alles still!“ und „Am Jahrestag“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Was mir fehlte“ weitere 214 Gedichte vor.

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