Morgendämmerung von Charles Baudelaire

Die frühwache tönt in den höfen der kasernen ·
Die morgenwinde blasen auf die laternen.
 
Das ist die zeit wo gefährliche träume wehn ·
Die braunen jünglinge auf ihren kissen sich drehn.
Die lampe macht in den tag einen roten flecken:
So bleibt ein blutiges auge zitternd stecken.
Die seele unter des störrischen körpers gewicht
Die nämlichen kämpfe des tags und der lampe ficht.
Wie in einem antlitz voll thränen die leise verwischen ·
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In lüften entschwebender dinge schauer sich mischen.
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Der mann hat am schreiben · die frau hat am lieben genug.
 
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Schon sieht man auf einzelnen häusern des rauches flug.
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Die freudenmädchen mit aschfahlen augendecken
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Und offenem mund im stumpfen schlafe sich strecken ·
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Die bettlerin abgemagert · mit starrendem blut ·
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Bläst sich auf die finger und bläst in die glimmende glut.
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Es ist die stunde wo unter frost und entbehren
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Die schmerzen der wöchnerinnen sich vermehren.
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Wie seufzer gedämpft von erbrochenen blutes schaum
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Durchdringen die hahnenrufe den qualmigen raum.
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Ein meer von nebeln badet mauern und dächer ·
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Die sterbenden in den winkeln der krankengemächer
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Stossen beschwerlich die lezten schluchzer heraus –
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Die sünder von ihrer arbeit matt gehen nach haus.
 
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Die morgenröte in rosa und grünem gewande
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Kommt frierend langsam daher am Seine-strande
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Und das düstre Paris das den schlaf aus den augen sich streift ·
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Ein rüstiger alter mann · nach dem werkzeuge greift.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.4 KB)

Details zum Gedicht „Morgendämmerung“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
219
Entstehungsjahr
nach 1837
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Morgendämmerung“ stammt von Charles Baudelaire. Der Autor Baudelaire wurde 1821 geboren und starb 1867. Daher lässt sich das Gedicht in die Epoche des Realismus einordnen.

Der erste Eindruck des Gedichts ist düster und ernst, da es den Übergang von der Nacht zum Tag beschreibt, und zwar nicht in einer idyllischen, sondern einer armen, hart arbeitenden, manchmal sogar leidenden Gesellschaft. Es beginnt mit dem Klang der Militärkaserne und dem Aufleuchten der Laternen – die Stadt erwacht.

Das Gedicht teilt sich in vier Strophen und insgesamt 28 Verse auf. Es beschreibt verschiedene Szenen, von schlafenden jungen Männern bis zu Prostituierten und Kranken. Dabei führt Baudelaire verschiedene Menschen und ihre Tätigkeiten auf und zeigt ihre Kämpfe und Herausforderungen. In der letzten Strophe wird der Wechsel von Nacht zum Tag deutlicher durch das Auftreten des „düstren Paris“, dass sich für die anbrechende Arbeit „rüstet“.

Die Sprache im Gedicht ist düster und teils brutal („Die bettlerin abgemagert · mit starrendem blut“). Besonders deutlich wird der harte Alltag in der dritten Strophe, in welcher Baudelaire die Leiden einer Gebärenden und Sterbenden beschreibt. In der vierten Strophe wird wieder ein Hoffnungsschimmer eingeführt – der neue Tag beginnt, die Arbeit ruft und das Leben geht weiter.

Baudelaires Gedicht ist in freien Versen geschrieben, ohne feste Reimstruktur oder Metrik. Er verwendet bildhafte Umschreibungen („Die morgenröte in rosa und grünem gewande“) und ungewöhnliche Vergleiche („Die lampe macht in den tag einen roten flecken“), die die Szenerie kraftvoll und lebendig darstellen. So kreiert Baudelaire ein intensives Bild einer Metropole im Morgengrauen, die erwacht und sich auf den neuen Tag vorbereitet. Es scheint, als solle das Gedicht gleichermaßen die Härte und die Schönheit des Lebens hervorheben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Baudelaires „Morgendämmerung“ ein eindrucksvolles und atmosphärisches Gedicht ist, das den harten Alltag der Menschen in einer Großstadt am Übergang von Nacht zum Tag aufzeigt. Es ist ein realistisches Abbild des Paris seiner Zeit und ein Ausdruck der harten Lebensrealität der Menschen in einer Großstadt des 19. Jahrhunderts.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Morgendämmerung“ des Autors Charles Baudelaire. Baudelaire wurde im Jahr 1821 in Paris geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1837 bis 1867 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz oder Realismus zugeordnet werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das 219 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 4 Strophen. Charles Baudelaire ist auch der Autor für Gedichte wie „Anziehender Schauder“, „Aufschrift auf ein verpöntes Buch“ und „Aufschwung“. Zum Autor des Gedichtes „Morgendämmerung“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 101 Gedichte vor.

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