Baudelaire, Charles - Einladung zur Reise (Gedichtinterpretation)

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Charles Baudelaire, Analyse, Interpretation, Gedichtanalyse, Referat, Hausaufgabe, Baudelaire, Charles - Einladung zur Reise (Gedichtinterpretation)
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Referat

Gedichtanalyse: „Einladung zur Reise“ von Charles Baudelaire

Einladung zur Reise
von Charles Baudelaire

Meine schwester mein kind!
Denk dir wie lind
Wär es dorthin zu entweichen!
Liebend nur sehn ·
Liebend vergehn
In ländern die dir gleichen!
Der sonnen feucht
Verhülltes geleucht
Die mir so rätselhaft scheinen
10 
Wie selber du bist
11 
Wie dein auge voll list
12 
Das glitzert mitten im weinen.
 
13 
Dort wo alles friedlich lacht –
14 
Lust und heiterkeit und pracht.
 
15 
Die möbel geziert
16 
Durch die jahre poliert
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Ständen in deinem zimmer
18 
Und blumen zart
19 
Von seltenster art
20 
In ambraduft und flimmer.
21 
Die decken weit
22 
Die spiegel breit
23 
In Ostens prunkgemache
24 
Sie redeten dir
25 
Geheimnisvoll hier
26 
Die süsse heimatsprache.
 
27 
Dort wo alles friedlich lacht –
28 
Lust und heiterkeit und pracht.
 
29 
Sieh im kanal
30 
Der schiffe zahl
31 
Mit schweifenden gelüsten!
32 
Sie kämen dir her
33 
Aufs kleinste begehr
34 
Von noch so entlegenen küsten.
35 
Der sonne glut
36 
Ersterbend ruht
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Auf fluss und stadt und die ganze
38 
Welt sich umspinnt
39 
Mit gold und jazint
40 
Entschlummernd in tief-warmem glanze.
 
41 
Dort wo alles friedlich lacht –
42 
Lust und heiterkeit und pracht.

(„Einladung zur Reise“ von Charles Baudelaire ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (26.5 KB) zur Unterstützung an.)

Das Reisegedicht „Einladung zur Reise“ erschien erstmals 1857 unter dem Titel „L` invitation au voyage“ und wurde von dem Dichter Charles Baudelaire verfasst. 1901 übersetzte Stefan George das französische Gedicht ins Deutsche. Dieses, zur Zeit des Realismus verfasste Gedicht, handelt von einem lyrischen Ich, welches dem lyrischen Du vorschwärmt, wie schön dieses exotische Land sei und lädt es dazu ein, gemeinsam dorthin zu verreisen.

Die 42 Verse des Gedichts sind in drei Strophen, bestehend aus jeweils zwölf Versen und einem jeweils Strophen anschließendem Refrain aus zwei Versen unterteilt. Der Refrain besteht je Strophe aus einem vierhebigem Trochäus mit weiblicher Kadenz. Die beiden Verse des Refrains sind durch einen Paarreim miteinander verbunden, wobei der erste Vers einen katalektischen Abschluss hat, was zum Weiterlesen animiert (und einen gewissen Schwung in den Refrain bringt). Die einzelnen Strophen bestehen aus jeweils zwei Schweifreimen (aa b cc b). Aufgrund der abweichenden Wortzahl von zwei bis sieben Wörter pro Vers, ist das Metrum unregelmäßig, jedoch bleibt die Kadenz stets männlich. Das unregelmäßige Versmaß macht abermals deutlich, dass dieses Gedicht ein Monolog des lyrischen Ichs ist, der dadurch jedoch nicht monoton gehalten wird.

In dem Gedicht schwärmt das lyrische Ich von einer ersehnten Reise in ein exotisches Land und erzählt dem lyrischen Du, wie es dort aussehen könnte, beziehungsweise wie das Land wirkt. Außerdem stellt sich das lyrische Ich eine gemeinsame Wohnung im neuen Land vor und möchte dieses zu seiner neuen Heimat machen. Die neue Heimat erscheint dem lyrischen Ich wie ein Paradies, wohin jeder reisen will.

Auffällig an diesem Gedicht ist die Kleinschreibung aller Wörter (z.B. V. 1: „schwester“), außer der Wörter am Versbeginn. Daraus kann man schließen, dass all das Gesagte etwas Träumerisches und Leichtes aufweisen kann. Auch auffallend ist der damals zeitgemäße Gebrauch einiger Wörter, wie in Vers 23 „prunkgemache“, wodurch bemerkbar ist, dass dies ein älteres Gedicht ist. Trotz der zuerst denkbar einfachen Sprache versteckt sich mehr Inhalt hinter einzelner Wörter. Dies gelingt durch verschiedenste sprachliche Mittel.

Bereits in Vers 1 ist durch die Metapher „Meine schwester mein kind!“ die innige Verbindung zwischen dem lyrischen Ich und dem lyrischen Du erkennbar. Diese Liebe wird auch in den Versen 4 und 5 wieder aufgegriffen (V. 4 f.: „Liebend“). In Vers 2 wird der Reiseort nicht direkt genannt, denn es wird nur von „dorthin“ gesprochen, jedoch wird im späteren Verlauf erkennbar, dass dieser Ort etwas Exotisches aufweist. Dies sieht man unter anderem in Vers 7 „sonnen feucht“, was eine Metapher für das feuchte und warme Klima in exotischen Ländern ist, erkennen. Das „Verhüllte[s] geleucht“ (V. 8) ist eine Metapher für einen Leuchtturm, der aus weiter Entfernung durch den Nebel nicht erkennbar ist. In den Versen 9 und 11 wird jedoch auch von einer „rätselhaft(en)“ (V. 9) und gefährlichen Seite (V. 11: „auge voll list“) dieses exotischen Landes gesprochen. Die Metapher in Vers 12 kann man auf zwei Weisen interpretieren. Einerseits kann das „weinen“ (V. 12) für das Meer und das „glitzert“ (V. 12) für das Spiegeln der Sonne angesehen werden. Andererseits kann das „weinen“ (V. 12) auch aus Sehnsucht zu dem Land geschehen. Die Verse 16 und 17 zeigen den Wunsch des lyrischen Ichs, denn er erträumt sich lange Zeit mit dem lyrischen Du gemeinsam dort zu Leben. Durch blumen zart Von seltenster art“ (V. 18 f.) ist wieder die Exotik und die Artenvielfalt des ersehnten Landes erkennbar. Der „amraduft“ in Vers 20 lässt wieder auf ein warmes Klima schließen und zeigt, dass dieses Land wohlhabend erscheint, da dieser Duft teuer ist. Das Wohlhaben zeigt sich auch durch die folgenden Zeilen und besonders durch das Wort „prunkgemache“ (V. 23). Außerdem hat der Ort etwas „geheimnisvoll[es]“ (V. 25) und man sieht, dass dem lyrischen Ich nicht nur das Land, sondern auch die Sprache gefällt (vgl. V. 26: „Die süsse heimatsprache“). Nicht nur das lyrische Ich hat gefallen an dem exotischen Land, sondern auch viele Menschen aus den verschiedensten Richtungen (vgl. V. 30, 34). Es wirkt so, als würde dieser Ort aller Wünsche und „gelüste[n]“ (V. 31) erfüllen (vgl. V. 31, 33, 36). Das Wohlhaben der Stadt wird auch in Vers 39 durch das Farbsymbol „gold“ wieder aufgegriffen, da das Gold für Reichtum und Lebenskraft steht. Das Farbsymbol „jazint“ (V. 39) steht für Einsicht und Tiefgründigkeit, woruas man schließen kann, dass sich das lyrische Ich nicht ganz sicher ist ob diese Reise gelingen wird. Im Refrain (V. 13 f., 27 f., 41 f.) wird die positive Stimmung dieses Ortes wiederholend erwähnt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieser Ort sowohl dem lyrischen Ich als auch den anderen Menschen, die zu diesem Ort reisen eine positive Atmosphäre schafft und entspannend wirkt, trotz der möglichen Gefahren an diesem Ort. Der starke Wille des lyrischen Ichs an diesen Ort zu reisen oder womöglich sogar zu fliehen, könnte die Ursache der Industrialisierung zu der damaligen Zeit sein. Möglicherweise will das lyrische Ich somit aus dem alltäglichem Leben fliehen und erhofft sich dort ein Leben in Wohlstand und Freude.

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