In Hangen und Bangen von Theodor Fontane
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Ach, daß ich Dich so heiß ersehne, |
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Weckt aller Himmel Widerspruch, |
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Und jede neue bittre Thräne |
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Macht tiefer nur den Friedensbruch. |
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Der Götter Ohr ist Keinem offen, |
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Der sich zergrämt in banger Nacht, – |
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Komm Herz, wir wollen gar nichts hoffen, |
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Und sehn ob so das Glück uns lacht. |
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Vergebnes Mühen, eitles Wollen, |
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Die Lippe weiß kaum, was sie spricht, |
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Und, nach wie vor, die Thränen rollen |
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Mir über Wang und Angesicht. |
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2. |
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Du holde Fee, mir treu geblieben |
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Aus Tagen meiner Kinderzeit, |
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Was hat Dich nun verscheucht, vertrieben |
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Du stille Herzensheiterkeit? |
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Leicht trugst Du, wie mit Wunderhänden, |
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Mich über Gram und Sorge fort, |
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Und selbst aus nackten Felsenwänden |
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Rief Quellen mir Dein Zauberwort. |
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Du, Trostesreichste mir vor allen, |
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Kehr neu-beflügelt bei mir ein |
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Und laß Dein Lächeln wieder fallen |
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Auf meinen Pfad wie Vollmondschein. |
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3. |
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„Vertrauen, schönster Stein in Königskronen, |
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Du Mutter aller Liebe, und ihr Kind, |
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Du einzig Pfühl, auf dem wir sorglos schlummern, |
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Ich rufe Dich, kehr’ wieder in dies Herz! |
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Es giebt kein Glück, wo Du den Rücken wandtest, |
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Es giebt kein Unglück, lächelst Du auf’s Neu; |
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Laß kämpfen mich in Deinem Spruch und Zeichen, |
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Und wieder wird das Leben mir zum Sieg.“ |
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4. |
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Storch und Schwalbe sind gekommen, |
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Veilchen auch, die blauen frommen |
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Frühlingsaugen grüßen mich; |
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Aber hin an Lenz und Leben |
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Zieh in Bangen ich und Beben – |
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Um Dich. |
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Ach, um Dich! und doch ich fühle, |
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Träte jetzt die Todeskühle |
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An mein Herz, und riefe mich, |
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Wie ein Kind dann, unter Jammern |
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Würd’ ich mich an’s Leben klammern – |
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Um Dich. |
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5. |
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Zerstoben sind die Wolkenmassen, |
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Die Morgensonn’ in’s Fenster scheint: |
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Nun kann ich wieder mal nicht fassen, |
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Daß ich die Nacht hindurch geweint. |
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Dahin ist alles was mich drückte, |
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Das Aug’ ist klar, der Sinn ist frei, |
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Und was nur je mein Herz entzückte, |
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Tanzt wieder, lachend, mir vorbei. |
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Es grüßt, es nickt; ich steh betroffen, |
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Geblendet schier von all dem Licht: |
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Das alte, liebe, böse Hoffen – |
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Die Seele läßt es einmal nicht. |
Details zum Gedicht „In Hangen und Bangen“
Theodor Fontane
16
60
327
1895
Realismus
Gedicht-Analyse
Das hier vorgestellte Gedicht stammt von Theodor Fontane, einem deutschen Schriftsteller und Journalisten des Realismus, der von 1819 bis 1898 lebte. Zeitlich lässt sich das Werk also in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts einordnen.
Der erste Eindruck des Gedichts ist geprägt von einer melancholischen, nach innen gekehrten Stimmung des lyrischen Ichs. Das lyrische Ich scheint mit einer tiefen inneren Unruhe und Konflikt zu kämpfen, die sich durch das gesamte Gedicht zieht.
Inhaltlich betrachtet das Gedicht die innere Zerrissenheit und den emotionalen Aufruhr des lyrischen Ichs. Es scheint eine tiefe Sehnsucht und Verlangen nach einer bestimmten Person oder Sache zu geben (Vers 1), die jedoch von Unruhe und Kummer überschattet wird. Das lyrische Ich fühlt sich von den Göttern, symbolisch für das Schicksal oder die höheren Mächte, von der Heiterkeit der Kindheit vertrieben und von Hoffnung verlassen (Verse 5, 14-17). Trotz dieser Kühnheit drückt das lyrische Ich dennoch die Hoffnung aus, sein Glück durch Vertrauen wiederzufinden (Verse 27-34), und es bleibt trotz der Dunkelheit des Moments an das Leben gebunden (Verse 36-47). In den letzten Versen (49-60) erlebt das lyrische Ich einen Aufschwung der Stimmung und scheint trotz aller vorheriger Niedergeschlagenheit neue Hoffnung und Lebensfreude zu finden.
Formal besteht das Gedicht aus einer variierten Anzahl von Versen pro Strophe und weist keine durchgehende Reimform auf, wobei ab und an ein Paarreim auftaucht. Diese Variation kann als Spiegelung der inneren Unruhe und des emotionalen Aufruhrs des lyrischen Ichs interpretiert werden. Die Sprache des Gedichts ist leidenschaftlich und emotional, mit einer starken Konzentration auf die Innenwelt des lyrischen Ichs. Zahlreiche Metaphern, wie die Götter, die Fee und der Vollmondschein, verleihen den inneren Gefühlen und Stimmungen des lyrischen Ichs eine greifbare, bildliche Qualität.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fontane in „In Hangen und Bangen“ einen eindrucksvollen Einblick in die emotionale Landschaft eines innerlich zerrütteten lyrischen Ichs gibt und so die Leiden und Freuden des menschlichen Existenz mit großer Poesie und Kraft darstellt.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „In Hangen und Bangen“ des Autors Theodor Fontane. Geboren wurde Fontane im Jahr 1819 in Neuruppin. Das Gedicht ist im Jahr 1895 entstanden. Der Erscheinungsort ist Stuttgart und Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Realismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Fontane ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 16 Strophen und umfasst dabei 327 Worte. Weitere Werke des Dichters Theodor Fontane sind „Am Jahrestag“, „An Bettina“ und „An Emilie“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „In Hangen und Bangen“ weitere 214 Gedichte vor.
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Zum Autor Theodor Fontane sind auf abi-pur.de 214 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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