An Auroren von Johann Gottfried Herder

O zögre noch, holdseligste der Schönen,
Aurora, laß die Thräne dich versöhnen,
Die Thräne, die dir reine Liebe weiht.
Wenn du in deines grauen Tithons Armen
Zu früh’ erwachst, so weile; hab’ Erbarmen,
Für uns, für uns ist es zu frühe Zeit.
Die keusche Luna blickt von ihrem Throne
Gefällig noch, und gönnt Dionens Sohne
Ihr sanftes Licht der Herzvertraulichkeit.
 
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„Und komm’ ich denn, um euer Glück zu stören?
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Beneidend komm’ ich euer Glück zu mehren,
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Und sag’: es ist nicht gestern, es ist heut.
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Mit neuer Liebe komm’ ich euch zu krönen,
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Und gebe Blumen, Jünglingen und Schönen
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Erfrischend sie, der Morgenröthe Kleid“; –
 
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– O Mahlerinn Aurora, weile, weile!
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Den Liebenden zu ihrem schönsten Theile
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Sei nie ein Gestern; sei ein ewig Heut“.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „An Auroren“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
123
Entstehungsjahr
1797
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, der von 1744 bis 1803 lebte. Epochal lässt sich der Autor und somit auch sein Werk der Aufklärung und Frühromantik zuordnen. Die Vielfalt der klassischen Anspielungen legt nahe, dass dieses vor 1800 entstanden ist, als die klassische Bildung noch verbreitet war.

Der erste Eindruck des Gedichts ist geprägt von einer väterlichen Warnung, begleitet von einer augenzwinkernden Aufforderung an die Aurora, die Morgenröte, langsamer voranzugehen. Dieses Spiel mit der Zeit spiegelt eine der zentralen Vorstellungen der Romantik wieder: Das Verweilen im Moment.

Herder stellt im Inhalt den Morgen, in Form von Aurora, als junge Frau dar, die in den Armen ihres älteren Liebhabers Tithon zu früh erwacht. Er fordert sie auf, für die Liebenden auf der Erde länger zu schlafen, damit diese ihre intimen Momente im Mondschein länger genießen können. In der zweiten Strophe erklärt Aurora, dass sie nicht kommt, um das Glück der Liebenden zu stören, sondern um es zu bereichern. Ihre Ankunft bringt einen neuen Tag, eine neue Liebe und neue Blumen. In der letzten Strophe kehrt Herder zurück zu seiner Bitte an Aurora, länger zu schlafen. Er fordert, dass die Liebenden nie eine Vergangenheit, sondern immer eine Gegenwart haben sollen, damit sie ihren Moment der Liebe länger genießen können.

Formal besteht das Gedicht aus drei Strophen variiert die Anzahl der Verse zwischen drei und neun, was eine gewisse Dynamik hineinbringt. Der Einsatz des Altertums als Rahmen für die Darstellung zeitübergreifender Gefühle ist ebenfalls kennzeichnend für die Epoche der Frühromantik.

Die Sprache des Gedichts ist geprägt von einer gewissen Schlichtheit und Sprachmelodie, die das Lesen angenehm macht. Zudem ist die Sprache gekennzeichnet durch Anspielungen auf griechische Mythen (Aurora, Tithon, Dionens Sohn). Diese Anspielungen schaffen eine tiefe, komplexere Ebene des Verstehens und interpretieren das Gedicht als eine Art Dialog zwischen Gegenwart und Antike, wobei die Anspielungen als Metaphern für verschiedene Aspekte der Liebe genutzt werden.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An Auroren“ ist Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1797 zurück. Erschienen ist der Text in Tübingen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Rebellieren oder Auflehnen gegen die Aufklärung zusammenfassen. Das literarische und philosophische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Goethe und Schiller entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei zentralen Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit dem Tod Goethes. Es gibt aber auch zeitliche Eingrenzungen, die das gemeinsame Schaffen der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik zeitlich festlegen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Die Klassik orientiert sich an traditionellen Vorbildern aus der Antike. Sie strebt nach Harmonie ganz im Gegensatz zur Epoche der Aufklärung und des Sturm und Drangs. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik kennzeichnend. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Schiller, Goethe, Herder und Wieland bildeten das „Viergestirn“ der Klassik. Es gab natürlich auch noch andere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das Gedicht besteht aus 18 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 123 Worte. Die Gedichte „Das Orakel“, „Das Ross aus dem Berge“ und „Das Saitenspiel“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „An Auroren“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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