Das Glück von Johann Gottfried Herder

Nicht knie ich vor der blinden Göttinn Wagen,
Die Kronen-streuend dort mit schwarzen Rossen fährt;
Auch Jene, die ein Rad und leichte Flügel tragen,
Ist des zutrauenden Gebets nicht werth.
 
Mein Glück sei Sie, die mit der Weisheit thronet,
Das Ruder thätiger Vernunft in ihrer Hand;
Sie, die dem stillen Fleiß, der mit sich selber wohnet,
Die Trefflichsten der Gaben zuerkannt.
 
Aus reichem Füllhorn schenket sie ihm Früchte,
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Die ihm sein eigener gesunder Muth beschert;
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Die schönste Perle blinkt auf seinem Angesichte,
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Der Mühe Lohn; o mehr als Kronen werth.
 
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Sie ists, die ihm erlesne Blumen streuet,
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Und seiner Kinder Schaar hüpft sammlend um den Thron;
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Der matte Vater nimmt aus ihrer Hand erfreuet
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Der Blumen viel; zuletzt den sanften Mohn,
 
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Der bringt ihm ruhigen, gesunden Schlummer;
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Ach ein Geschenk, das nie die falsche Göttinn kennt.
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Mit Perlen streuet sie oft Thränen; Neid und Kummer
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Sind von dem gelben Golde kaum getrennt.
 
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O Schwester du der Klugheit und der Treue,
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Die rückwärts schaut, mein gutes Jugend-Glück,
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Nur meine Zeit (du siehst, wem ich sie elend weihe;)
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Mich selbst, o Gute, gib mir nur zurück.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Das Glück“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
184
Entstehungsjahr
1787
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Glück“ wurde von Johann Gottfried Herder geschrieben, einem der wichtigsten Literaten der deutschen Aufklärungszeit und dem Sturm und Drang. Herder lebte von 1744 bis 1803, daher kann das Gedicht als Teil des literarischen Diskurses jener Zeit angesehen werden.

Das Gedicht hat auf den ersten Eindruck den Respekt und die Bewunderung des lyrischen Ichs für die ideale Göttin des Glücks zum Thema, die Weisheit, vernünftiges Handeln und persönliche Anstrengungen vereint, im Gegensatz zur blinden und unzuverlässigen Göttin des Schicksals.

In Bezug auf den Inhalt macht das lyrische Ich eine deutliche Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Gestalten des Glücks. Die erste wird als eine „blinde Göttin“ beschrieben, die Glück zufällig und unbeständig verteilt. Diese Göttin wird als unberechenbar und nicht respektvoll dargestellt, daher wendet sich das lyrische Ich von ihr ab. Stattdessen vertraut es auf eine andere Form des Glücks, die mit Weisheit und aktiver Vernunft verbunden ist. Diese Form des Glücks erfordert persönliche Anstrengung und ist das Ergebnis von Mut, Arbeit und Entschlossenheit.

Formal kann man das Gedicht als ein klassisches Gedicht aus der Aufklärungszeit bezeichnen, bestehend aus sechs Strophen mit jeweils vier Versen. Die Sprache ist trotz ihrer etwas veralteten Schreibweise elegant und flüssig, mit einer klaren und direkten Aussage. Es verwendet bildhafte Sprache und Metaphern, um die Unterschiede zwischen den beiden Formen des Glücks zu veranschaulichen, wie zum Beispiel das Bild der „schwarzen Rosse“ und der „Kronen“, um die unberechenbare Natur des zufälligen Glücks zu symbolisieren. Die konkrete Sprache und die detaillierte Beschreibung der Tätigkeiten der zweiten Göttin verleihen dem Gedicht einen beruhigenden und fast pastoralen Ton.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Herders Gedicht „Das Glück“ eine klare Botschaft über die Vorzüge des erarbeiteten Glücks über das zufällige Glück vermittelt und damit die klassischen Werte von Fleiß, Weisheit, Treue und persönlicher Verantwortung hervorhebt, die in der Zeit der Aufklärung zentral waren.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Das Glück“ ist Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1787. In Gotha ist der Text erschienen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um junge Autoren. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Goethe, Schiller und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Einer der bedeutendsten Autoren der deutschen Klassik ist Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar). Seine Italienreise 1786 wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Johann Wolfgang von Goethe prägte die Klassik ganz wesentlich. Sein Tod im Jahr 1832 kennzeichnet gleichzeitig das Ende dieser Epoche. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Harmonie, Vollkommenheit, Humanität und der Übereinstimmung von Form und Inhalt gesucht. In der Lyrik haben die Dichter auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders populär. Des Weiteren verwendeten die Dichter eine pathetische, gehobene Sprache. Die Hauptvertreter der Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das vorliegende Gedicht umfasst 184 Wörter. Es baut sich aus 6 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Glück“ weitere 413 Gedichte vor.

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