An die Freundschaft von Johann Gottfried Herder

Heilge Freundschaft, die auf Engelsflügeln
Sich emporschwang zu den sel’gen Hügeln,
Unser Erdenland verließ
Und ging auf ins Väter-Paradies;
 
Wo sie noch aus guten Mutterhänden
Uns ihr Kind zuweilen her will senden
Liebe, die auch irre geht
Und für Treue öfters Reu empfäht;
 
Holde Freundschaft, kehr’ o kehre wieder,
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Hand- und Herzen-bindend zu uns nieder!
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Ohne dich ist alles leer,
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Auch die Liebe selbst nicht Liebe mehr.
 
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Wenn du uns dein Bild noch lange raubest
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Und es gar dem süßen Trug’ erlaubest:
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O so wird dein Menschenreich
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Bald dem alten wüsten Chaos gleich.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „An die Freundschaft“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
94
Entstehungsjahr
1787
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „An die Freundschaft“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, der von 1744 bis 1803 lebte. Er war eine bedeutende Persönlichkeit der deutschen Aufklärung und der Weimarer Klassik. Somit lässt sich sein Werk zeitlich in das ausgehende 18. und beginnende 19. Jahrhundert einordnen.

Beim ersten Lesen erweckt das Gedicht den Eindruck von einer tiefen Sehnsucht und einer hohen Wertschätzung der Freundschaft. Es wird als heilig, rein und fast übermenschlich dargestellt.

Anhand des Inhalts lässt sich feststellen, dass das lyrische Ich die Freundschaft als himmlisch und paradiesisch beschreibt, die von der Welt entfernt ist, aber dennoch ihren positiven Einfluss auf die Menschen ausübt (Verse 1-4). Es wird von einer Personifikation der Liebe gesprochen, die trotz ihrer Fehler die Reue für die Treue empfängt (Verse 5-8). Das lyrische Ich fleht die Freundschaft an, zurückzukehren, da ohne sie alles leer ist, selbst die Liebe (Verse 9-12). Es endet mit einer düsteren Vorstellung, dass ohne das Bild der Freundschaft die Welt in Chaos versinken wird (Verse 13-16).

Aus formalen Aspekten betrachtet besteht das Gedicht aus vier Strophen mit je vier Versen. Es folgt kein striktes Reimschema, aber es gibt teilweise Paarreime (Verse 3/4 und 11/12) und umarmende Reime (Verse 1/2 und 5/6, 7/8). Nicht alle Verse reimen sich.

Sprachlich verwendet Herder eine gehobene, wohlklingende, poetische Sprache, gespickt mit bildhaften Ausdrücken und Metaphern, wie beispielsweise die „Engelsflügel“ oder das „Väter-Paradies“. Die Sprache steht im starken Kontrast zu den düsteren Bildern des letzten Verses. Dabei dominiert der Appell- und Bittcharakter („kehr' o kehre wieder“), was die dringende Sehnsucht des lyrischen Ichs und seine Sorge über den möglichen Verlust der Freundschaft unterstreicht.

Insgesamt betont das Gedicht die enorme Bedeutung und die irreparable Verlustangst der Freundschaft, die als Quelle der Liebe und des Gleichgewichts in der menschlichen Welt dargestellt wird.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die Freundschaft“ des Autors Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). 1787 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Gotha. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter waren meistens junge Autoren, zumeist nicht älter als 30 Jahre. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Goethe, Schiller und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Einer der wichtigsten Autoren der deutschen Klassik ist Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar). Seine Italienreise 1786 wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Goethe prägte die Klassik ganz wesentlich. Sein Tod im Jahr 1832 ist gleichzeitig das Ende dieser Epoche. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Der Begriff Humanität ist von zentraler Bedeutung für die Zeit der Weimarer Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Selbstbestimmung, Harmonie, Toleranz, Menschlichkeit und die Schönheit. Typisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Vertreter der Epoche haben in der Weimarer Klassik auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die populärsten Schriftsteller der Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das vorliegende Gedicht umfasst 94 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Apollo“, „Bilder und Träume“ und „Das Flüchtigste“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An die Freundschaft“ weitere 413 Gedichte vor.

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