Die Winternacht von Friedrich Schiller

Ade! Die liebe Herrgottssonne gehet,
Grad über tritt der Mond!
Ade! Mit schwarzem Rabenflügel wehet
Die stumme Nacht ums Erdenrund.
 
Nichts hör ich mehr durchs winternde Gefilde
Als tief im Felsenloch
Die Murmelquell, und aus dem Wald das wilde
Geheul des Uhus hör ich noch.
 
Im Wasserbette ruhen alle Fische,
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Die Schneke kriecht ins Dach,
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Das Hündchen schlummert sicher unterm Tische,
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Mein Weibchen nikt im Schlafgemach.
 
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Euch Brüderchen von meinen Bubentagen,
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Mein herzliches Willkomm!
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Ihr sizt vielleicht mit traulichem Behagen
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Um einen teutschen Krug herum.
 
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Im hochgefüllten Deckelglase malet
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Sich purpurfarb die Welt,
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Und aus dem goldnen Traubenschaume stralet
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Vergnügen das kein Neid vergällt.
 
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Im Hintergrund vergangner Jahre findet
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Nur Rosen euer Blik,
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Leicht, wie die blaue Knasterwolke, schwindet
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Der trübe Gram von euch zurük.
 
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Vom Schaukelgaul bis gar zum Doktorhute
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Stört ihr im Zeitbuch um,
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Und zählt nunmehr mit federleichtem Mute
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Schweißtropfen im Gymnasium.
 
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Wie manchen Fluch – noch mögen unterm Boden
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Sich seine Knochen drehn –
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Terenz erpreßt, troz Herrn Minellis Noten,
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Wie manch verzogen Maul gesehn.
 
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Wie ungestüm dem grimmen Landexamen
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Des Buben Herz geklopft;
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Wie ihm, sprach izt der Rektor seinen Namen,
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Der helle Schweiß aufs Buch getropft –
 
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Wohl redt man auch von einer –e– gewissen –
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Die sich als Frau nun spreißt,
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Und mancher will der Leker baß nun wissen,
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Was doch ihr Mann baß – gar nicht weißt –
 
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Nun ligt diß all im Nebel hinterm Rüken,
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Und Bube heißt nun Mann,
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Und Fridrich schweigt der weiseren Perüken
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Was einst der kleine Friz gethan –
 
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Man ist – Poz gar! – zum Doktor ausgesprochen,
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Wohl gar – beim Regiment!
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Und hat vielleicht – doch nicht zu früh, gerochen,
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Daß Plane – Saifenblasen sind.
 
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Hauch immer zu – und laß die Blasen springen;
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Bleibt nur diß Herz noch ganz!
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Und bleibt mir nur – errungen mit Gesängen –
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Zum Lohn ein teutscher Lorbeerkranz.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.6 KB)

Details zum Gedicht „Die Winternacht“

Anzahl Strophen
13
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
294
Entstehungsjahr
1782
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das lyrische Ich istin diesem Gedicht der deutsche Dichter Friedrich Schiller, der während der Weimarer Klassik zur Zeit der Aufklärung lebte und wirkte.

Der erste Eindruck des Gedichts ist geprägt von einer ruhigen, nachdenklichen Atmosphäre. Es entführt den Leser in eine stille Winternacht, in der die Natur zur Ruhe kommt und der Tag dem Mond weicht.

Im Inhalt geht Schiller auf die Stille der Nacht ein, auf die ruhende Natur, den aufgehenden Mond und die verschiedenen Geräusche, die in der Nacht zu hören sind. Das lyrische Ich zieht sich in diese ruhige Umgebung zurück und beginnt zu reflektieren. Es denkt an alte Freunde und Zeiten zurück, erinnert sich an gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen und es kommt zu einer Art Zwiesprache, in der der Gedankenfluss in Richtung Vergangenheit geht. Dabei wird deutlich, dass das lyrische Ich eine Entwicklung durchlaufen hat vom Jungen zum Mann und wie seine Ambitionen sich verändert haben.

Das Gedicht besteht aus 13 vierzeiligen Strophen im alternierenden Reimschema (a-b-a-b). Schiller verwendet eine sehr bildhafte und harmonische Sprache, die reich an Naturmetaphern ist. Die Sprache hat einen flüssigen Rhythmus und lädt den Leser zum Nachdenken und Reflektieren ein.

Zusammenfassend schafft Schiller in „Die Winternacht“ ein atmosphärisches Bild einer stillen Nacht, in der das lyrische Ich zur Ruhe kommt und zum Nachdenken angeregt wird. Das Gedicht ist nicht nur eine Hommage an die Schönheit der Natur und die Stille der Nacht, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und Entwicklung des lyrischen Ichs. Dabei geht es vor allem um die Transformation vom Jungen zum Mann und die damit verbundenen Lebenserfahrungen. Schillers Gedicht ist somit ein eindringliches Beispiel für die reflexive Lyrik, die charakteristisch für die Weimarer Klassik und insbesondere für Schillers Werk ist.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Winternacht“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Friedrich Schiller. Schiller wurde im Jahr 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1782 entstanden. Stuttgart ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei Schiller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Prägend für die Literatur der Weimarer Klassik war die Französische Revolution. Menschen setzten sich dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Der Beginn der Weimarer Klassik ist im Jahr 1786 auszumachen. Die Literaturepoche endete im Jahr 1832 mit dem Tod Goethes. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die essenziellen Themen. Die Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. In der Lyrik haben die Dichter auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders geschätzt. Des Weiteren verwendeten die Autoren eine pathetische, gehobene Sprache. Schiller, Goethe, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Klassik angesehen werden. Aber nur Schiller und Goethe motivierten und inspirierten einander durch enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das 294 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 52 Versen mit insgesamt 13 Strophen. Friedrich Schiller ist auch der Autor für Gedichte wie „Breite und Tiefe“, „Bürgerlied“ und „Columbus“. Zum Autor des Gedichtes „Die Winternacht“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 220 Gedichte vor.

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