Die Kunst von Johann Gottfried Herder
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Aus der Schaar der Götterfreuden, |
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Stahl die jüngste Freude sich: |
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Und der Fleiß, ein Sohn der Leiden, |
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Nahte zu ihr jugendlich. |
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Unschuld war in ihren Mienen, |
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Treue war in seinem Blick: |
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Und die Liebe zwischen ihnen |
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Stiftete der Beiden Glück. |
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Ich ermatte, sprach die Schöne, |
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Gib mir deine sichre Hand. |
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Nimm sie, sprach er, Eintracht kröne |
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Unser Beider treues Band. |
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Also wohnten sie im Schatten, |
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Unter aller Götter Gunst; |
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Und das Kind, das Beide hatten, |
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War ein schönes Kind, die Kunst. |
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Von der Mutter lebte Fülle, |
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Götterfüll’ in ihrer Brust; |
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Und der Vater gab ihr Stille, |
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Fleiß und Emsigkeit zur Lust. |
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Sorgsam hat er sie erzogen, |
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Zärtlich hat sie sie gesäugt: |
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Götter waren ihr gewogen, |
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Menschen waren ihr geneigt. |
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Aber als sie zu vermählen |
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Nun die frohe Zeit erschien; |
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Wer der Götter wird sie wählen? |
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Wem der Menschen wird sie blühn? |
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Zwischen Erd’ und Himmel schwebet |
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Sie der Einsamkeit geweiht: |
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Denn der Mutter Gottheit lebet |
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In des Vaters Sterblichkeit. |
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Mit belohnend-holden Blicken |
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Schaute Jupiter hinab. |
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„Unsern Himmel soll sie schmücken, |
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Sie, die nur der Himmel gab. |
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Wär’ aus unsrer Götterjugend |
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Emsig-schöne Kunst verbannt? |
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Nein o Weisheit und o Tugend |
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Holet sie in unser Land.“ |
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Weisheit und die Tugend stiegen |
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In der Schwester Einsamkeit; |
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Und aus ihrer beider Zügen |
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Schuf sie selbst sich Göttlichkeit. |
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Unabtrennlich stets von beiden |
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Ward sie wie die Anmuth schön, |
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Und im Chor der Götterfreuden |
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Tanzen jetzt drei Grazien. |
Details zum Gedicht „Die Kunst“
Johann Gottfried Herder
6
48
232
1787
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Kunst“ wurde von Johann Gottfried Herder geschrieben, der am 25. August 1744 geboren wurde und am 18. Dezember 1803 verstarb. Das Gedicht lässt sich zeitlich in die Epoche der Sturm und Drang Bewegung im 18. Jahrhundert einordnen.
Der erste Eindruck des Gedichts ist, dass es sich um eine allegorische Darstellung handelt, in der die Kunst eine zentrale Rolle spielt. Es wird von einer harmonischen Verbindung zwischen Unschuld, Treue und Liebe gesprochen, die das Glück der Kunst ausmachen.
Der Inhalt des Gedichts in einfachen Worten ist, dass die Kunst aus der Gemeinschaft der Götterfreuden die jüngste Freude wählte. Der Fleiß, der ein Sohn der Leiden ist, näherte sich jugendlich der Kunst. Unschuld und Treue verbinden sich in Liebe und schaffen das Glück der Kunst. Die Kunst bekommt ein Kind, das sie mit Fülle und Stille aufzieht. Sie wird von den Göttern und Menschen geliebt. Als es Zeit ist, die Kunst zu vermählen, bleibt sie jedoch zwischen Himmel und Erde einsam, da ihre göttliche Mutter in der sterblichen Welt des Vaters lebt. Schließlich wird die Kunst von Weisheit und Tugend auf einen neuen Höhepunkt gehoben, und sie wird als Göttlichkeit erschaffen. Jetzt tanzen drei Grazien im Chor der Götterfreuden.
In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht in sechs Strophen mit jeweils acht Versen unterteilt. Der Rhythmus ist gleichbleibend und es gibt ein gereimtes Schema (ABABCCDD). Die Sprache ist poetisch und bildhaft, wobei Begriffe wie Götterfreuden, Mienen und Blicke verwendet werden, um die Beziehung zwischen Kunst, Unschuld und Treue zu beschreiben. Das Gedicht verwendet auch personifizierte Elemente wie die Mutter Gottheit, die in der Sterblichkeit des Vaters lebt, und die Weisheit und Tugend, die in der Einsamkeit der Schwester existieren. Insgesamt drückt das Gedicht die Bedeutung der Kunst aus und wie sie durch verschiedene Aspekte wie Unsichtbarkeit, Fleiß und göttliche Inspiration geformt wird, um schließlich als Göttlichkeit anerkannt zu werden.
Weitere Informationen
Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Die Kunst“. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. 1787 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Gotha. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet wird. Die Epoche ordnet sich nach der Literaturepoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System wendeten. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Schriftsteller im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.
Einer der populärsten Schriftsteller der deutschen Klassik ist Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar). Seine Italienreise im Jahr 1786 wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Johann Wolfgang von Goethe prägte die Klassik ganz wesentlich. Sein Tod im Jahr 1832 ist gleichzeitig das Ende dieser Epoche. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. Die Weimarer Klassik geht von der Erziehbarkeit des Menschen zum Guten aus. Ihr Ziel ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Vertreter der Weimarer Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Gefühle und Vernunft gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Das Individuum ist also von höheren Mächten bestimmt. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik charakteristisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Klassik bezeichnet werden. Aber nur Goethe und Schiller motivierten und inspirierten einander durch enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.
Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 232 Worte. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Kind der Sorge“, „Das Orakel“ und „Das Ross aus dem Berge“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Kunst“ weitere 413 Gedichte vor.
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