Die Freundschaft von Friedrich Schiller
aus den Briefen Julius an Raphael; einem noch ungedrukten Roman
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Freund! genügsam ist der Wesenlenker – |
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Schämen sich kleinmeisterische Denker, |
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Die so ängstlich nach Gesezen spähn – |
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Geisterreich und Körperweltgewüle |
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Wälzet Eines Rades Schwung zum Ziele, |
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Hier sah es mein Newton gehn. |
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Sfären lehrt es Sklaven eines Zaumes |
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Um das Herz des grosen Weltenraumes |
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Labyrinthenbahnen ziehn – |
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Geister in umarmenden Systemen |
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Nach der grosen Geistersonne strömen, |
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Wie zum Meere Bäche fliehn. |
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War’s nicht diß allmächtige Getriebe, |
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Das zum ew’gen Jubelbund der Liebe |
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Unsre Herzen aneinander zwang? |
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Raphael, an deinem Arm – o Wonne! |
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Wag auch ich zur grosen Geistersonne |
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Freudigmutig den Vollendungsgang. |
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Glüklich! glüklich! Dich hab ich gefunden, |
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Hab aus Millionen Dich umwunden, |
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Und aus Millionen mein bist Du – |
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Laß das Chaos diese Welt umrütteln, |
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Durcheinander die Atomen schütteln; |
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Ewig fliehn sich unsre Herzen zu. |
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Muß ich nicht aus Deinen Flammenaugen |
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Meiner Wollust Wiederstralen saugen? |
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Nur in Dir bestaun ich mich – |
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Schöner malt sich mir die schöne Erde, |
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Heller spiegelt in des Freunds Gebärde |
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Reizender der Himmel sich. |
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Schwermut wirft die bange Thränenlasten, |
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Süßer von des Leidens Sturm zu rasten, |
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In der Liebe Busen ab; – |
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Sucht nicht selbst das folternde Entzüken |
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In des Freunds beredten Stralenbliken |
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Ungeduldig ein wollüstges Grab? – |
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Stünd im All der Schöpfung ich alleine, |
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Seelen träumt’ ich in die Felsensteine, |
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Und umarmend küßt’ ich sie – |
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Meine Klagen stöhnt’ ich in die Lüfte, |
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Freute mich, antworteten die Klüfte, |
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Thor genug! der süßen Sympathie. |
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Tode Gruppen sind wir – wenn wir hassen, |
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Götter – wenn wir liebend uns umfassen! |
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Lechzen nach dem süsen Fesselzwang – |
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Aufwärts durch die tausendfache Stufen |
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Zalenloser Geister die nicht schufen, |
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Waltet göttlich dieser Drang. |
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Arm in Arme, höher stets und höher, |
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Vom Mogolen bis zum griechschen Seher, |
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Der sich an den lezten Seraf reyht, |
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Wallen wir, einmüth’gen Ringeltanzes, |
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Bis sich dort im Meer des ew’gen Glanzes |
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Sterbend untertauchen Maaß und Zeit – |
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Freundlos war der grose Weltenmeister, |
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Fühlte Mangel – darum schuf er Geister, |
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Sel’ge Spiegel seiner Seligkeit! – |
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Fand das höchste Wesen schon kein Gleiches, |
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Aus dem Kelch des ganzen Seelenreiches |
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Schäumt ihm – die Unendlichkeit. |
Details zum Gedicht „Die Freundschaft“
Friedrich Schiller
10
60
327
1782
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Die Freundschaft“ wurde von dem bekannten deutschen Dichter Friedrich Schiller verfasst, der im Zeitalter der Weimarer Klassik (etwa 1786 bis 1832) einer der prägendsten Autoren war. Schiller lebte von 1759 bis 1805, daher lässt sich das Gedicht zeitlich in das ausgehende 18. und beginnende 19. Jahrhundert einordnen.
Beim ersten Lesen des Gedichts fällt die eher komplexe Struktur und die teils metaphorische Ausdrucksweise des Autors auf. Das Thema des Gedichts, die Freundschaft, wird von Schiller in eine kosmische Dimension überführt, was auf eine tiefe Verbundenheit und Betonung der Wichtigkeit dieser menschlichen Beziehung hindeutet.
Vereinfacht gesagt handelt das Gedicht von der starken Bindung zwischen Freunden und hebt die Bedeutung und den Wert dieser Beziehung hervor. Das lyrische Ich führt aus, wie Freundschaft das Leben bereichert und sogar Schmerz lindern kann, indem es Vergleiche zu kosmischen Kräften zieht. Diese Metaphorik deutet darauf hin, dass die Freundschaft für das lyrische Ich gleichsam ein Naturgesetz ist - ewig und unausweichlich wie die Schwerkraft.
Formal besteht das Gedicht aus zehn Strophen mit jeweils sechs Versen, die sich durch einen recht gleichmäßigen Rhythmus auszeichnen. Die Sprache ist gehoben, teils altertümlich (was der Entstehungszeit des Gedichts geschuldet ist) und durchzogen von metaphorischen und symbolischen Ausdrücken, wie beispielsweise „Geisterreich“, „Bäche fliehen“ oder „süßen Fesselzwang“. Besonders hervorzuheben ist hier die Metapher der „grosen Geistersonne“, die womöglich auf einen höchsten Punkt der Vergeistigung oder Erkenntnis hinweist.
Schillers Gebrauch metaphorischer Sprache und sein Hinweis auf namhafte historische Figuren wie Newton und Raphael, verleiht dem Gedicht eine tiefe und philosophische Qualität. Es zeigt eine Wertschätzung für Freundschaft, die über das Individuum hinausgeht und als universelles, verbindendes Element dargestellt wird.
Abschließend kann man sagen, dass Schiller in „Die Freundschaft“ ein starkes Plädoyer für die Kraft und Bedeutung der Freundschaft hält, indem er sie in eine höhere, kosmische Ordnung einbettet.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Freundschaft“ des Autors Friedrich Schiller. Der Autor Friedrich Schiller wurde 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. Im Jahr 1782 ist das Gedicht entstanden. Stuttgart ist der Erscheinungsort des Textes. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei Schiller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.
Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der Literatur, die insbesondere von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Die Italienreise Goethes im Jahr 1786 markiert den Beginn der Epoche. Das Todesjahr von Goethe, 1832, markiert das Ende der Weimarer Klassik. In der Epoche sind Einflüsse der Französischen Revolution festzustellen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Der Begriff Humanität ist prägend für die Zeit der Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Harmonie, Selbstbestimmung, Toleranz, Menschlichkeit und die Schönheit. In der Klassik wird eine sehr geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen sind häufig in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, setzte man großen Wert auf Stabilität und formale Ordnung. Metrische Ausnahmen befinden sich immer wieder an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Goethe, Schiller, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.
Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 327 Worte. Friedrich Schiller ist auch der Autor für Gedichte wie „Baurenständchen“, „Breite und Tiefe“ und „Bürgerlied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Freundschaft“ weitere 220 Gedichte vor.
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