Tod und Knechtschaft von Johann Gottfried Herder

Seiner kleinen Philomele
Sang aus tiefer, voller Seele
Ihr Aëdon noch sein Lied,
Als er droben einen Geier,
Drunten einen Vogelsteller
Schweben und anschleichen sieht.
»Auf! Geliebte, auf! und wähle!
Siehe, siehe, was uns droht,
Unten Knechtschaft, oben Tod!«
10 
»Frisch gewählt!« sprach Philomele;
11 
»Ungetrennet süßen Tod!«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.8 KB)

Details zum Gedicht „Tod und Knechtschaft“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
11
Anzahl Wörter
46
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

In dem vorliegenden Gedicht „Tod und Knechtschaft“ handelt es sich um ein Werk von Johann Gottfried Herder, einem deutschen Dichter und Denker der Aufklärung, der von 1744 bis 1803 lebte. Das Gedicht kann somit der Epoche der Aufklärung zugeordnet werden.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht von Grundton dunkel und besorgniserregend, zumal das lyrische Ich, das vermutlich die Figur des Aëdon repräsentiert, sowohl einen Geier als auch einen Vogelsteller erspäht und die geliebte Philomele vor drohender Gefahr warnt. Es herrscht eine Atmosphäre der Bedrohung, der Angst und der unausweichlichen Entscheidungszwang.

In dem Gedicht hat das lyrische Ich, Aëdon, die bevorstehende Gefahr erkannt und warnt seine Liebste, Philomele, die Situation zu erkennen und eine Entscheidung zu treffen. Der Geier droht von oben, der Vogelfänger lauert unten - Tod oder Knechtschaft sind die einzigen Optionen. Dennoch entscheidet Philomele bewusst und mutig für den Tod, um Unfreiheit und Trennung zu vermeiden.

Die Aussage, die Herder vermutlich transportieren möchte, könnte Interpretationen zufolge in der starken Botschaft der lieber gewählten Freiheit im Tod als der erzwungenen Knechtschaft liegen - ein außerordentlich mächtiges und klares Statement für die Würde und Selbstbestimmung des Individuums, eingebettet in das Kontext der Aufklärung.

Formal besteht das Gedicht aus einer einzigen Strophe, die aus einer ungewöhnlich hohen Anzahl von elf Versen besteht. Die Verdichtung auf eine einzige Strophe lässt bereits eine dramatische Situation vermuten und trägt zur Spannung bei. Herder nutzt eine einfache, aber kraftvolle Sprache, die prägnant die sich abspielende Situation sowie die innere Zerrissenheit und Entschlossenheit der Protagonisten darstellt. Insbesondere die Antithese „unten Knechtschaft, oben Tod!“ verdeutlicht die ausweglose Situation, vor der das lyrische Ich und seine Geliebte stehen - ein beeindruckendes Beispiel für Herders Fähigkeit, sprachliche Bilder von großer Intensität zu schaffen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Tod und Knechtschaft“ des Autors Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Im Zeitraum zwischen 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter waren meistens junge Autoren, zumeist nicht älter als 30 Jahre. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die alten Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der Literatur, die insbesondere von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Die Italienreise Goethes im Jahr 1786 markiert den Beginn der Epoche. Das Todesjahr von Goethe, 1832, markiert das Ende der Weimarer Klassik. In der Epoche sind Einflüsse der Französischen Revolution festzustellen. Das Zentrum dieser Literaturepoche lag in Weimar. Es sind sowohl die Bezeichnungen Klassik als auch Weimarer Klassik gebräuchlich. Prägend für die Zeit der Klassik ist der Begriff Humanität. Toleranz, Menschlichkeit, Selbstbestimmung, Schönheit und Harmonie sind wichtige inhaltliche Merkmale der Klassik. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Kennzeichnend ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Vertreter der Epoche haben in der Klassik auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Goethe, Schiller, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das Gedicht besteht aus 11 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 46 Worte. Die Gedichte „An die Freundschaft“, „Apollo“ und „Bilder und Träume“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Tod und Knechtschaft“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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