Die Muse der Tugend zur Muse der Kunst von Johann Gottfried Herder

Eitel erblickst Du Dich, Du schöne Schwester der Künste,
Hier im Spiegel des Sees, rückend den Kranz Dir zurecht.
Bleibe bespiegelnd stehn! ich eile zur heiligen Quelle,
Die mich erquicket und stärkt, stärkt mit erneueter Kraft.
Kränze verwelken; der Spiegel zeigt nur innerer Schönheit
Abglanz; ihn auch trübt oft schon ein Lüftchen im See.
Tugend ist Leben; es strömt von Welle zu Welle; der Tugend
Immer verjüngte Gestalt zeigt nur ein Spiegel, das Herz.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Muse der Tugend zur Muse der Kunst“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
8
Anzahl Wörter
74
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Muse der Tugend zur Muse der Kunst“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einem bedeutenden Dichter der Aufklärung und des Sturm und Drang, der von 1744 bis 1803 lebte. Auf den ersten Blick wirkt dieses Gedicht wie ein Zwiegespräch zwischen zwei Mussen oder Idealen - der Tugend und der Kunst.

Im Inhalt des Gedichts sieht das lyrische Ich, welches hier die Muse der Tugend vertritt, die Muse der Kunst, die sich um ihr Aussehen in den Spiegel des Sees sorgt. Während die Muse der Kunst bei dem betrachtenden bildlichen Spiegel bleibt, eilt die Muse der Tugend, das lyrische Ich, zur heiligen, also spirituellen Quelle, die Kraft und Erneuerung bietet. Herder nutzt hier die typische Eigenschaft der Quelle, ständig frisches und reines Wasser zu liefern, als Symbol für innere Erneuerung durch Tugend. Er betont dann, dass äußerliche Schönheit vergänglich ist („Kränze verwelken“), während die innerliche (Tugend) dauerhaft und unveränderlich bleibt - auch wenn diese Qualität durch einen überfließenden Hauch nach außen getrübt werden kann („ihn auch trübt oft schon ein Lüftchen im See“).

Die Form des Gedichts besteht aus acht Versen, die in einem formalen, antikisierenden Ton abgefasst sind. Die Sprache ist zum Teil bildhaft und reich an Metaphern, etwa wenn der Spiegel für die Oberflächlichkeit der ästhetischen Betrachtung steht oder die Welle für das kontinuierliche Fließen des Lebens und die fortwährende Bewegung der Tugend. Auch der Kranz, traditionell ein Siegeszeichen, steht hier für vergängliche, äußerliche Schönheit. Es ist eine klare Trennung zwischen der äußeren Schönheit der Kunst und der inneren Schönheit der Tugend spürbar.

Zusammengefasst handelt das Gedicht von der Vergänglichkeit äußerer Schönheit im Vergleich zur Unvergänglichkeit innerer Tugend. Durch den Vergleich zwischen Kunst und Tugend kritisiert Herder eine oberflächliche Ästhetik zugunsten einer tieferen moralischen Qualität.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Muse der Tugend zur Muse der Kunst“ ist Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Im Zeitraum zwischen 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. Die Epoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich dabei gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich darüber hinaus auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Bei den Autoren handelte es sich meist um junge Schriftsteller. Meist waren die Vertreter unter 30 Jahre alt. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei zentralen Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit dem Tod Goethes. Es gibt aber auch Definitionen, die die gemeinsame Schaffenszeit der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik festlegen. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen werden in der Literatur genutzt. Der Begriff Humanität ist von zentraler Bedeutung für die Zeit der Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Harmonie, Selbstbestimmung, Menschlichkeit, Toleranz und die Schönheit. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders geschätzt. Darüber hinaus verwendeten die Dichter eine gehobene, pathetische Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Das Gedicht besteht aus 8 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 74 Worte. Die Gedichte „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Die Muse der Tugend zur Muse der Kunst“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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