Die Trichternasen von Johann Gottfried Herder

Obscuranten fliegen umher. Mit gebreiteten Flügeln
Schweben bei Nacht sie hin, wo nur ein Lichtchen erscheint;
Gräßlich ist ihr Schatten; die Trichternasen, sie saugen
Schlafenden Menschen das Blut, Blut und die Seele mit aus.
Gar fein fühlend sind diese Gespenster; beraubet der Augen,
Siehet das Nachtgeschöpf wie mit dem siebenten Sinn.
Jaget mit Stecken sie fort, laßt auf sie Katzen - o nein doch!
Lasset die Sonn' aufgehn, und sie sind alle verscheucht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die Trichternasen“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
8
Anzahl Wörter
73
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Trichternasen“ stammt von Johann Gottfried Herder, der während der Aufklärung im 18. Jahrhundert wirksam war. Er gehörte zu den maßgeblichen Vertretern der Weimarer Klassik und Sturm und Drang.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht irgendwie obskur und ein wenig gruselig. Es handelt von seltsamen Kreaturen, die als „Trichternasen“ oder „Obscuranten“ bezeichnet werden. Diese fliegen nachts herum und scheinen schlafende Menschen auszusaugen, sowohl körperlich (in Form von Blut) als auch geistig (in Form von Seele).

Der Inhalt des Gedichtes scheint eine Art Allegorie oder symbolische Darstellung zu sein. Die Trichternasen stehen dabei symbolisch für Personen oder Kräfte, die die Menschen ihres eigenen Denkens und ihrer Wahrnehmung berauben. Sie werden als nächtliche Gespenster dargestellt, was auf ihre hinterhältige und heimtückische Natur hindeuten könnte.

Die Aussage des lyrischen Ichs wäre dann eine Aufforderung zur Aufklärung und Wachsamkeit gegenüber solchen negativen Einflüssen. Es rät dazu, die „Trichternasen“ durch das Aufgehen der Sonne zu vertreiben, was als Metapher für Erkenntnis und Aufklärung gesehen werden kann. Hier spiegelt sich also die Epoche der Aufklärung wider, in der Herder lebte, und deren Grundsatz „Sapere aude!“ (Wage zu wissen!) sich in der Aufforderung zur Erkenntnis wiederfindet.

Das Gedicht besteht aus einer einzigen achtzeiligen Strophe, in der eine eher düstere Stimmung zum Ausdruck gebracht wird. Die verwendete Sprache ist altertümlich mit einer starken metaphorischen Komponente. Besonders auffallend ist die Personifikation der Nachtgeschöpfe, die beinahe menschliche Züge annehmen und somit eine weitere Ebene der Unheimlichkeit hinzufügen. Mit seinen bildhaften Beschreibungen und der Verwendung von direkter Rede wendet Herder stilistische Mittel des Sturm und Drang an, was seine Zugehörigkeit zu dieser literarischen Epoche unterstreicht.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Herder in „Die Trichternasen“ vermutlich die Gefahr der Unwissenheit und Rückständigkeit thematisiert und dazu auffordert, sich dieser durch Erkenntnis und Aufklärung entgegenzustellen. Dabei bedient er sich einer metaphorischen Sprache und einer düsteren Atmosphäre, um seine Botschaft eindrucksvoll zu vermitteln.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Trichternasen“ ist Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet wird. Die Epoche ordnet sich nach der Literaturepoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die Literaturepoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Autoren des Sturm und Drang waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, häufig unter 30 Jahre alt. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Autoren aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Auf zeitlicher Ebene lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Synthese dieser beiden Elemente. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Der Begriff Humanität ist prägend für die Zeit der Weimarer Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Selbstbestimmung, Harmonie, Toleranz, Menschlichkeit und die Schönheit. In der Weimarer Klassik wird eine geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen (Sentenzen) sind oftmals in Werken der Weimarer Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich häufig an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die bekanntesten Autoren der Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das vorliegende Gedicht umfasst 73 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 8 Versen. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Zum Autor des Gedichtes „Die Trichternasen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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