Ermunterung von Johann Gottfried Herder

Tochter Du, was zitterst Du?
Was sinkest Du?
Schweige, leide,
Hoffe, meide,
Nicht verzag,
Nicht klag!
Wahrheit kommt alle Tag'.
 
Du suchtest ja ein Wunderland,
Wo sonder Tand
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Und sonder Schall
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Man ist und hat
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Und Größe suchet, That,
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Und strebt, statt Schein,
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Zu sein.
 
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Dies Land ist überall für Den, der's in sich hat.
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Und hier sieh Deine Statt:
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Sollst jene Mummereien bekehren,
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Die Schatten hellen, Wahrheit lehren;
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Sollst wandeln hier dies Zauberthal
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Voll Mondesschein in Wahrheit überall,
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In Sonnenstrahl.
 
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Auf, fasse Dich,
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Ermanne Dich!
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Es wird Dir schwer sein,
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Mußt lange sein allein,
26 
Verkennen Dich lassen in falschem Schein,
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Sehn Deine Wünsche mißgedeihn.
 
28 
Auf, fasse Dich,
29 
Muthig fühl Dich,
30 
Du edle Jungfrau, groß und frei
31 
Und fest und treu,
32 
Den Blick so edel vor sich hin,
33 
Mit reinem Sinn und stillem Sinn,
34 
Auf, fasse Dich
35 
Männlich!
 
36 
Schweige, leide,
37 
Hoffe, meide,
38 
Nicht verzag
39 
Und suche den Lieben alle Tag'!
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Such ihn durch Wald und Thal und Höhn,
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Und obgleich Flimmer vor Dir gehn,
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Ermüde nicht, ihn zu empfahn,
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Ihm sanft zu folgen auf seiner Bahn!
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Du wirst ihn haben, ihn bestehn
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Und neuverwandelt mit ihm gehn,
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Mit ihm in aller Liebe Fülle,
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Und er Dich lieben stark und stille,
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Und er sich fühlen neu ins Leben
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Zurückgegeben,
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Durch Dich, durch Dich zurückgegeben,
51 
Und Du ihm Schöpferin und Braut,
52 
Ihm ewig, ewig sein vertraut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Ermunterung“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
52
Anzahl Wörter
224
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Ohne ein spezifisches Gedicht vor sich zu haben, ist die Interpretation eines hypothetischen Gedichts nicht möglich. Mit einem realen Gedicht würden die einzelnen Schritte einer Interpretation die Identifizierung des Autors und einer zeitlichen Einordnung des Gedichts umfassen, um einen Kontext des Werkes zu schaffen. Der erste Eindruck des Gedichts würde dann den Ton, den Inhalt und die möglichen Themen des Gedichts hervorheben.

Im Anschluss, würde man eine Zusammenfassung des Inhalts und eine Analyse, was das lyrische Ich, also die Perspektive des Gesichts, entwickeln. Die Form und Sprache des Gedichts würde then analysiert werden, um tiefergehende Bedeutungen oder Techniken des Autors zu erkennen. Sprache könnte rhetorische Geräte, Reime, Metrik und Lexikon umfassen, während Form die Struktur und mögliche Muster des Gedichts betrachtet.

Für das Gedicht „Ermunterung“ von Johann Gottfried Herder, ein wichtiger Vertreter der Weimarer Klassik, könnte man etwa argumentieren, dass das lyrische Ich einer „Tochter“ – welche möglicherweise metaphorisch zu verstehen ist – verschiedene Lebensweisheiten mit auf den Weg gibt. Der Fokus liegt auf der individuellen Stärke, Ausdauer und Treue zu sich selbst. Es wird dazu ermutigt, sich nicht von Oberflächlichkeiten und Illusionen täuschen zu lassen, sondern sich der Wahrheit zuzuwenden.

Die Sprache ist relativ einfach gehalten und spricht durch den direkten Imperativ den Leser bzw. die Leserin sehr direkt an. Formal ist das Gedicht in unterschiedlich lange Strophen unterteilt, die je nach Inhalt variieren. Die Verse selbst sind recht kurz und prägnant, oft in zwei Hälften geteilt, was einen rhythmischen, anspornenden Klang erzeugt. Es wird kein durchgängiges Reimschema verwendet, dem Inhalt entsprechend steht die Aussage und deren Betonung im Vordergrund.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ermunterung“ des Autors Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Der Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest der Epoche des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik war beeinflusst worden durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und mit dem Tod Goethes 1832 eingrenzen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Harmonie, Vollkommenheit, Humanität und der Übereinstimmung von Inhalt und Form gesucht. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders populär. Des Weiteren verwendeten die Autoren jener Zeit eine gehobene, pathetische Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Klassik genannt werden. Aber nur Schiller und Goethe inspirierten und motivierten einander durch enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das Gedicht besteht aus 52 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 224 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Bilder und Träume“, „Das Flüchtigste“ und „Das Gesetz der Welten im Menschen“. Zum Autor des Gedichtes „Ermunterung“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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