Der Wasseresel von Christian Morgenstern

Der Wasseresel taucht empor
und legt sich rücklings auf das Moor.
 
Und ordnet künstlich sein Gebein,
im Hinblick auf den Mondenschein:
 
So daß der Mond ein Ornament
auf seines Bauches Wölbung brennt...
 
Mit diesem Ornamente naht
er sich der Fingur Wasserstaat.
 
Und wird von dieser, rings beneidet,
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mit einem Doktorhut bekleidet.
 
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Als Lehrer list er nun am Pult,
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wie man durch Geist, Licht und Geduld,
 
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verschönern könne, was sonst nicht
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in allem dem Geschmack entspricht.
 
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Er stellt zuletzt mit viel Humor
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sich selbst als lehrreich Beispiel vor.
 
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»Einst war ich meiner Dummheit Beute«,
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so spricht er - »und was bin ich heute?
 
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Ein Kunstwerk der Kulturbegierde,
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des Waldes Stolz, des Weihers Zierde!
 
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Seht her, ich bing euch in Person
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das Kunsthandwerk als Religion.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Wasseresel“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
22
Anzahl Wörter
123
Entstehungsjahr
1871 - 1914
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Der Wasseresel“ stammt von dem deutschen Autor Christian Morgenstern. Morgenstern lebte von 1871 bis 1914, daher lässt sich das Werk in die Epoche der literarischen Moderne einordnen.

Auf den ersten Eindruck hin ist das Gedicht humorvoll und grotesk, da die Figur des Wasseresels auf abstruse Art und Weise dargestellt wird. Sie entstammt der Galgenlieder-Sammlung Morgensterns, welche für ihren hintersinnigen Humor und skurrilen Fantastik bekannt ist.

Der Inhalt des Gedichts ist recht einfach verpackt: Ein Wasseresel taucht zunächst auf und legt sich auf das Moor, wobei er in den Mond schaut. Er stellt sich so hin, dass der Mond ein Ornament auf seinem Bauch bildet. Dieses Ornament trägt er zur Fingur Wasserstaat und wird daraufhin zum Doktor gekrönt. Als Lehrer am Pult lehrt er dann, wie man mit Geist, Licht und Geduld das Unschöne verschönern kann. Er stellt sich selbst als ein lehrreiches Beispiel vor und bezeichnet sich als ein „Kunstwerk der Kulturbegierde“. Das lyrische Ich möchte also durch die Metapher des Wasseresels aussagen, dass aus jedem Wesen, egal wie einfach oder unbedeutend es erscheinen mag, durch Bildung und Wissen ein Kunstwerk werden kann.

Die Form des Gedichts besteht aus elf Strophen mit jeweils zwei Versen. Die Sprache ist anschaulich und präzise, dabei aber auch humorvoll und leicht zu lesen, was auf eine spielerische Darstellung der zugrundeliegenden Botschaft verweist. Morgenstern macht regen Gebrauch von metaphorischen Formulierungen („der Mond ein Ornament auf seines Bauches Wölbung brennt“) und Alliterationen („Mit diesem Ornamente naht er sich der Fingur Wasserstaat“).

Insgesamt lässt sich sagen, dass Morgenstern in „Der Wasseresel“ einen humorvollen, aber dennoch tiefsinnigen Kommentar zur Bedeutung von Bildung und Kunst abgibt. Mit der Figur des Wasseresels zeigt er auf, dass jeder, unabhängig von seinem Ausgangspunkt, durch Wissensaneignung und -vermittlung zu etwas Besonderem und Wertvollem werden kann. Im speziellen Kontext der damaligen Moderne kann es auch als eine Art Kritik an der rasant voranschreitenden Industrialisierung und Materialisierung der Gesellschaft gesehen werden.

Weitere Informationen

Christian Morgenstern ist der Autor des Gedichtes „Der Wasseresel“. 1871 wurde Morgenstern in München geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1887 bis 1914 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bei dem Schriftsteller Morgenstern handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 123 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 22 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Christian Morgenstern ist auch der Autor für Gedichte wie „An eine Freundin“, „Anto-logie“ und „Bedenke, Freund, was wir zusammen sprachen“. Zum Autor des Gedichtes „Der Wasseresel“ haben wir auf abi-pur.de weitere 189 Gedichte veröffentlicht.

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