Josuas Landtag von Rainer Maria Rilke
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So wie der Strom am Ausgang seine Dämme |
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durchbricht mit seiner Mündung Übermaß, |
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so brach nun durch die Altesten der Stämme |
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zum letzten Mal die Stimme Josuas. |
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Wie waren die geschlagen, welche lachten, |
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wie hielten alle Herz und Hände an, |
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als hübe sich der Lärm von dreißig Schlachten |
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in einem Mund; und dieser Mund begann. |
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Und wieder waren Tausende voll Staunen |
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wie an dem großen Tag vor Jericho, |
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nun aber waren in ihm die Posaunen, |
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und ihres Lebens Mauern schwankten so, |
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daß sie sich wälzten von Entsetzen trächtig |
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und wehrlos schon und überwältigt, eh |
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sie's noch gedachten, wie er eigenmächtig |
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zu Gibeon die Sonne anschrie: steh: |
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Und Gott ging hin, erschrocken wie ein Knecht, |
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und hielt die Sonne, bis ihm seine Hände |
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wehtaten, ob dem schlachtenden Geschlecht, |
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nur weil da einer wollte, daß sie stände. |
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Und das war dieser; dieser Alte wars, |
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von dem sie meinten, daß er nicht mehr gelte |
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inmitten seines hundertzehnten Jahrs. |
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Da stand er auf und brach in ihre Zelte. |
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Er ging wie Hagel nieder über Halmen: |
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Was wollt ihr Gott versprechen? Ungezählt |
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stehn um euch Götter, wartend daß ihr wählt. |
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Doch wenn ihr wählt, wird euch der Herr zermalmen. |
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Und dann, mit einem Hochmut ohnegleichen: |
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Ich und mein Haus, wir bleiben ihm vermählt. |
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Da schrien sie alle: Hilf uns, gieb ein Zeichen |
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und stärke uns zu unserer schweren Wahl. |
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Aber sie sahn ihn, wie seit Jahren schweigend, |
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zu seiner festen Stadt am Berge steigend; |
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und dann nicht mehr. Es war das letzte Mal. |
Details zum Gedicht „Josuas Landtag“
Rainer Maria Rilke
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35
248
1875 - 1926
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Josuas Landtag“ stammt von dem österreichischen Dichter Rainer Maria Rilke, der von 1875 bis 1926 lebte. Es gehört zu dem literarischen Zeitalter der Moderne und ist wahrscheinlich in der Zeit von Rilkes Spätwerk entstanden.
Auf den ersten Eindruck ist das Gedicht recht komplex und erfordert einiger Vorwissen um die biblische Geschichte von Josua, der nach Mose die Israeliten ins Gelobte Land führte. Es wird eine dramatische und intensive Atmosphäre erzeugt.
Das lyrische Ich beschreibt in diesem Gedicht die letzte Rede von Josua vor den Altesten der Stämme. Es vergegenwärtigt mit starken Bildern die überwältigende Kraft und Autorität, die Josua in seiner Rede ausspricht. Obwohl er als alter Mann angenommen wird, erweist er sich dennoch als eine majestätische und entschlossene Führerfigur. Seine entschiedene Loyalität gegenüber Gott und seine Warnung an die anderen, dass sie durch die Wahl anderer Götter vom Herrn zerstört werden würden, wird deutlich hervorgehoben.
Das Gedicht hat eine regelmäßige Struktur mit mehreren Strophen, welche aus unterschiedlicher Anzahl an Versen bestehen. Die Sprache ist poetisch und reich an Metaphern und bildhaften Vergleichen. Die Ereignisse werden in einer dramatischen und intensiven Weise dargestellt, die auf die tiefe emotionale Wirkung der Szene hinweist. Rilke nutzt starke Verben und lebhafte Bilder, um die starke Präsenz Josuas und die überraschende Wendung der Ereignisse zu zeigen.
Die Form des Gedichtes und die Nutzung der Sprache dienen der Vermittlung des zentralen Themas der Loyalität gegenüber Gott und der Führung und Autorität Josuas. Rilkes Gedicht zeigt den ewigen Konflikt zwischen menschlichem Willen und göttlicher Vorsehung und unterstreicht die bedeutende Rolle des Glaubens und der Selbstbestimmung in diesem Prozess.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Josuas Landtag“ ist Rainer Maria Rilke. Geboren wurde Rilke im Jahr 1875 in Prag. Zwischen den Jahren 1891 und 1926 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei dem Schriftsteller Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 248 Wörter. Es baut sich aus 9 Strophen auf und besteht aus 35 Versen. Die Gedichte „Allerseelen“, „Als ich die Universität bezog“ und „Am Kirchhof zu Königsaal“ sind weitere Werke des Autors Rainer Maria Rilke. Zum Autor des Gedichtes „Josuas Landtag“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.
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