Die Genesende von Rainer Maria Rilke

Wie ein Singen kommt und geht in Gassen
und sich nähert und sich wieder scheut,
flügelschlagend, manchmal fast zu fassen
und dann wieder weit hinausgestreut:
 
spielt mit der Genesenden das Leben;
während sie, geschwächt und ausgeruht,
unbeholfen, um sich hinzugeben,
eine ungewohnte Geste tut.
 
Und sie fühlt es beinah wie Verführung,
10 
wenn die hartgewordne Hand, darin
11 
Fieber waren voller Widersinn,
12 
fernher, wie mit blühender Berührung,
13 
zu liebkosen kommt ihr hartes Kinn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.9 KB)

Details zum Gedicht „Die Genesende“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
13
Anzahl Wörter
71
Entstehungsjahr
1875 - 1926
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Genesende“ wurde von Rainer Maria Rilke, einem bedeutenden Lyriker des frühen 20. Jahrhunderts, verfasst. Rilke lebte von 1875 bis 1926, eine zeitliche Einordnung des Gedichts ist daher in die Epoche des Expressionismus möglich.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht durch eine bildreiche, metaphorische Sprache besticht und eine Atmosphäre von Genesung und Neuorientierung kreiert. Es ist in drei Strophen unterteilt, die jeweils vier oder fünf Verse enthalten.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht die allmähliche Genesung einer Frau nach einer schweren Krankheit. Sie ist gerade dabei, ihre körperliche Kraft wiederzugewinnen, und das Leben scheint mit ihr zu „spielen“ - indem es sich ihr nähert und dann wieder entzieht, ähnlich wie ein Gesang, der in den Gassen kommt und geht. Das lyrische Ich betont die Unsicherheit und Unerfahrenheit der Genesenden, die sich auf dieses neue Leben einlässt und eine ungewohnte Geste macht. Ihre Genesung wird mit einer Verführung verglichen, wobei ihre hart gewordene Hand, die einst vom Fieber erfüllt war, nun ihr hartes Kinn mit blühender Berührung liebkost.

Die Form des Gedichts ist durch freie Rhythmen und Reime gekennzeichnet, die typisch für die expressionistische Lyrik sind. Die Sprache ist dabei besonders metaphorisch und sinnlich, wodurch das Gedicht eine intensive Atmosphäre erzeugt. Das lyrische Ich verwendet zahlreiche Vergleiche und Übertreibungen, um die komplexen Emotionen und Wahrnehmungen der genesenden Frau zu vermitteln.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rilkes Gedicht „Die Genesende“ eine eindrucksvolle Darstellung des Genesungsprozesses nach einer Krankheit ist, die durch metaphorische und sinnbildliche Sprache verstärkt wird. Es erfasst die Ambivalenz des Wiedergewinnens von Lebenskraft und -freude, gekoppelt mit Unsicherheit und Unerfahrenheit. Dabei spiegelt es die typischen Merkmale des expressionistischen Schreibstils wieder und zeichnet sich durch eine intensive atmosphärische Dichte aus.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Genesende“ des Autors Rainer Maria Rilke. 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Zwischen den Jahren 1891 und 1926 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 71 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 13 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Weitere Werke des Dichters Rainer Maria Rilke sind „Abend in Skaane“, „Absaloms Abfall“ und „Adam“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Genesende“ weitere 338 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Rainer Maria Rilke

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Rainer Maria Rilke und seinem Gedicht „Die Genesende“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Rainer Maria Rilke (Infos zum Autor)

Zum Autor Rainer Maria Rilke sind auf abi-pur.de 338 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.