Der Tambourmajor von Heinrich Heine
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Das ist der alte Tambourmajor, |
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Wie ist er jetzt herunter! |
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Zur Kaiserzeit stand er in Flor, |
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Da war er glücklich und munter. |
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Er balancierte den großen Stock, |
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Mit lachendem Gesichte; |
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Die silbernen Tressen auf seinem Rock, |
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Die glänzten im Sonnenlichte. |
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Wenn er mit Trommelwirbelschall |
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Einzog in Städten und Städtchen, |
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Da schlug das Herz im Widerhall |
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Den Weibern und den Mädchen. |
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Er kam und sah und siegte leicht |
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Wohl über alle Schönen; |
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Sein schwarzer Schnurrbart wurde feucht |
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Von deutschen Frauentränen. |
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Wir mußten es dulden! In jedem Land, |
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Wo die fremden Eroberer kamen, |
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Der Kaiser die Herren überwand, |
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Der Tambourmajor die Damen. |
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Wir haben lange getragen das Leid, |
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Geduldig wie deutsche Eichen, |
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Bis endlich die hohe Obrigkeit |
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Uns gab das Befreiungszeichen. |
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Wie in der Kampfbahn der Auerochs |
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Erhuben wir unsere Hörner, |
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Entledigten uns des fränkischen Jochs |
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Und sangen die Lieder von Körner. |
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Entsetzliche Verse! sie klangen ins Ohr |
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Gar schauderhaft den Tyrannen! |
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Der Kaiser und der Tambourmajor, |
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Sie flohen erschrocken von dannen. |
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Sie ernteten beide den Sündenlohn |
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Und nahmen ein schlechtes Ende. |
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Es fiel der Kaiser Napoleon |
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Den Briten in die Hände. |
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Wohl auf der Insel Sankt Helena, |
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Sie marterten ihn gar schändlich; |
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Am Magenkrebse starb er da |
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Nach langen Leiden endlich. |
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Der Tambourmajor, er ward entsetzt |
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Gleichfalls von seiner Stelle. |
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Um nicht zu verhungern, dient er jetzt |
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Als Hausknecht in unserm Hotele. |
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Er heizt den Ofen, er fegt den Topf, |
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Muß Holz und Wasser schleppen. |
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Mit seinem wackelnd greisen Kopf |
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Keucht er herauf die Treppen. |
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Wenn mich der Fritz besucht, so kann |
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Er nicht den Spaß sich versagen, |
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Den drollig schlotternd langen Mann |
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Zu nergeln und zu plagen. |
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»Laß ab mit Spöttelei'n, o Fritz! |
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Es ziemt Germanias Söhnen |
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Wohl nimmermehr, mit schlechtem |
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Witz Gefallene Größe zu höhnen. |
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Du solltest mit Pietät, mich deucht, |
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Behandeln solche Leute; |
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Der Alte ist dein Vater vielleicht |
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Von mütterlicher Seite.« |
Details zum Gedicht „Der Tambourmajor“
Heinrich Heine
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1797 - 1856
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Tambourmajor“ wurde verfasst von Heinrich Heine, einem der bedeutendsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts, der von 1797 bis 1856 lebte. Der Zeitpunkt der Entstehung des Gedichts kann nur grob vermutet werden, doch inhaltlich lässt sich eine Einordnung in die Zeit des frühen 19. Jahrhunderts treffen, der sogenannten Biedermeierzeit in Deutschland.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht recht lang, der regelmäßige Aufbau aus jeweils vierzeiligen Strophen jedoch strukturiert und geordnet. Als zentralen Protagonisten stellt der Dichter einen ehemaligen Tambourmajor vor, der einst stolz und beliebt war, nun aber ein herabgekommenes Dasein führt.
Inhaltlich schildert das Gedicht zunächst die glorreichen Zeiten des Tambourmajors in der Kaiserzeit, seine Beliebtheit und seinen Erfolg bei den Frauen. Doch mit der Zeit wendete sich das Blatt: Mit dem Fall des Kaisers musste auch der Tambourmajor seinen angesehenen Platz in der Gesellschaft aufgeben. Er ist nun als Dienstbote in einem Hotel tätig und wird dort verspottet.
Das lyrische Ich des Gedichts berichtet dabei nicht nur vom Schicksal des Hauptcharakters, sondern auch von der politischen Situation der damaligen Zeit. So könnte der Tambourmajor als Metapher für die untergehende französische Herrschaft Napoleons in Deutschland gedeutet werden, seine Degradierung als Zeichen des Sieges Deutschlands über die französischen Eroberer.
In seiner Form besticht das Gedicht durch seine Klarheit und Struktur. Jede der 15 Strophen enthält vier Verse, das Reimschema ist durchgehend abab. Die Sprache ist simpel, dennoch deutlich und aussagekräftig, die Schilderungen oft bis ins Detail ausführlich. Auch Humor und Ironie kommen nicht zu kurz, etwa wenn das lyrische Ich den Tambourmajor als möglichen Vater des verspottenden Fritz bezeichnet.
Insgesamt ist „Der Tambourmajor“ sowohl inhaltlich als auch sprachlich ein eindrückliches Gedicht, das auf satirische Weise einen gesellschaftlichen Wandel veranschaulicht. Es zeigt die Vergänglichkeit von Ruhm und Ansehen und mahnt zur Achtung gefallener Größe. Der historische Hintergrund rund um Napoleon und die Biedermeierzeit prägen dabei das Verständnis des Werkes und unterstreichen seinen sozialkritischen Charakter.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Der Tambourmajor“ ist Heinrich Heine. Im Jahr 1797 wurde Heine in Düsseldorf geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1813 bis 1856 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Junges Deutschland & Vormärz zu. Bei dem Schriftsteller Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen und umfasst dabei 304 Worte. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Abenddämmerung“, „Ach, die Augen sind es wieder“ und „Ach, ich sehne mich nach Thränen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Tambourmajor“ weitere 535 Gedichte vor.
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