Damen-Bildnis aus den achtziger Jahren von Rainer Maria Rilke
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Wartend stand sie an den schwergerafften |
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dunklen Atlasdraperien, |
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die ein Aufwand falscher Leidenschaften |
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über ihr zu ballen schien; |
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seit den noch so nahen Mädchenjahren |
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wie mit einer anderen vertauscht: |
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müde unter den getürmten Haaren, |
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in den Rüschen-Roben unerfahren |
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und von allen Falten wie belauscht |
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bei dem Heimweh und dem schwachen Planen, |
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wie das Leben weiter werden soll: |
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anders, wirklicher, wie in Romanen, |
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hingerissen und verhängnisvoll, — |
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daß man etwas erst in die Schatullen |
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legen dürfte, um sich im Geruch |
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von Erinnerungen einzulullen; |
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daß man endlich in dem Tagebuch |
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einen Anfang fände, der nicht schon |
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unterm Schreiben sinnlos wird und Lüge, |
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und ein Blatt von einer Rose trüge |
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in dem schweren leeren Medaillon, |
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welches liegt auf jedem Atemzug. |
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Daß man einmal durch das Fenster winkte; |
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diese schlanke Hand, die neuberingte, |
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hätte dran für Monate genug. |
Details zum Gedicht „Damen-Bildnis aus den achtziger Jahren“
Rainer Maria Rilke
6
25
133
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Damen-Bildnis aus den achtziger Jahren“ wurde von Rainer Maria Rilke geschrieben, einem österreichischen Schriftsteller, der von 1875 bis 1926 lebte. Obwohl nicht explizit angegeben, könnte das Gedicht in das späte 19. oder frühe 20. Jahrhundert eingeordnet werden, da Rilke in dieser Zeit aktiv war.
Auf den ersten Blick schafft das Gedicht ein lebendiges und detailreiches Bild einer adligen Dame. Der Titel und das Erscheinungsbild der Frau, inklusive ihres Kleides und Schmucks, deuten darauf hin, dass es sich um ein Porträt aus dem 19. Jahrhundert handelt. Rilke verwendet im gesamten Gedicht eine äußerst bildhafte, malerische Sprache.
Inhaltlich sprechen die beschriebenen Bilder anscheinend über die inneren Gefühle und das Bewusstsein der Frau. Sie wird als eine wartende, unerfahrene Frau dargestellt, die zwischen dem unerfüllten Verlangen nach einem aufregenderen Leben und der Resignation gegenüber ihrer Realität hin- und hergerissen ist. Die wiederholte Anspielung auf das ballen von Stoff und Haaren und die „Rüschen-Roben“ suggeriert einen Gefügsamkeit gegenüber den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen und gleichzeitig die Schwere dieser Last.
Die Form des Gedichts besteht aus sechs Strophen von jeweils vier bis fünf Versen. Der Rhythmus ist fast wagnersche in seiner Dichte und Schwere. Die Sprache ist bildreich und detailverliebt, mit einem Hang zur Übertreibung, um die Last und Dringlichkeit der Gefühle des lyrischen Ichs zu vermitteln. Es gibt keinen klaren Reim, was der Erzählung eine ungezwungene, fast prosaische Qualität verleiht.
Rilkes Gedicht gibt einen tiefen Einblick in das Innenleben einer Frau aus einer vergangenen Ära, wobei die Wechselwirkung zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und persönlichen Sehnsüchten der Frau im Fokus steht.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Damen-Bildnis aus den achtziger Jahren“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Geboren wurde Rilke im Jahr 1875 in Prag. Das Gedicht ist im Jahr 1918 entstanden. In Leipzig ist der Text erschienen. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Moderne zu. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 25 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 133 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Rainer Maria Rilke sind „Advent“, „Allerseelen“ und „Als ich die Universität bezog“. Zum Autor des Gedichtes „Damen-Bildnis aus den achtziger Jahren“ haben wir auf abi-pur.de weitere 338 Gedichte veröffentlicht.
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