Hymne an den Genius Griechenlands von Johann Christian Friedrich Hölderlin

Hymne an den
Genius Griechenlands
 
Jubel! Jubel
Dir auf der Wolke!
Erstgeborner
Der hohen Natur!
Aus Kronos Halle
Schwebst du herab,
Zu neuen, geheiligten Schöpfungen
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Hold und majestätisch herab.
 
11 
Ha! bei der Unsterblichen,
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Die dich gebar,
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Dir gleichet keiner
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Unter den Brüdern,
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Den Völkerbeherrschern,
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Den Angebeteten allen!
 
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Dir sang in der Wiege den Weihgesang
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Im blutenden Panzer die ernste Gefahr,
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Zu gerechtem Siege reichte den Stahl
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Die heilige Freiheit dir.
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Von Freude glühten,
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Von zaubrischer Liebe deine Schläfe,
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Die goldgelockten Schläfe.
 
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Lange säumtest du unter den Göttern
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Und dachtest der kommenden Wunder.
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Vorüber schwebten wie silbern Gewölk
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Am liebenden Auge dir
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Die Geschlechter alle!
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Die seligen Geschlechter.
 
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Im Angesichte der Götter
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Beschloß dein Mund,
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Auf Liebe dein Reich zu gründen.
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Da staunten die Himmlischen alle.
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Zu brüderlicher Umarmung,
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Neigte sein königlich Haupt
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Der Donnerer nieder zu dir.
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Du gründest auf Liebe dein Reich.
 
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Du kommst und Orpheus Liebe
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Schwebet empor zum Auge der Welt
40 
Und Orpheus Liebe
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Wallet nieder zum Acheron.
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Du schwingest den Zauberstab,
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Und Aphroditäs Gürtel ersieht
44 
Der trunkene Mäonide.
45 
Ha! Mäonide! wie du!
46 
So liebte keiner, wie du;
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Die Erd und Ozean
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Und die Riesengeister, die Helden der Erde
49 
Umfaßte dein Herz!
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Und die Himmel und alle die Himmlischen
51 
Umfaßte dein Herz.
52 
Auch die Blumen, die Bien auf der Blume
53 
Umfaßte liebend dein Herz!
 
54 
Ach Ilion! Ilion!
55 
Wie jammertest, hohe Gefallene, du
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Im Blute der Kinder!
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Nun bist du getröstet, dir scholl
58 
Groß und warm wie sein Herz
59 
Des Mäoniden Lied.
 
60 
Ha! bei der Unsterblichen,
61 
Die dich gebar,
62 
Dich, der du Orpheus Liebe,
63 
Der du schufest Homeros Gesang...
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.9 KB)

Details zum Gedicht „Hymne an den Genius Griechenlands“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
63
Anzahl Wörter
261
Entstehungsjahr
1770 - 1843
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Hymne an den Genius Griechenlands“ wurde von Johann Christian Friedrich Hölderlin verfasst. Hölderlin lebte von 1770 bis 1843, daher kann das Gedicht zeitlich der Epoche der Romantik zugeordnet werden, auch wenn Hölderlin in seinen Werken oft Elemente des Klassizismus aufweist.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht feierlich und erhaben, eine Hymne an die Größe und Ausdruckskraft der griechischen Kultur.

Das Gedicht ist eine Verherrlichung des „Genius“, einer Art schützendem Geist, der hier stellvertretend für die ganze griechische Kultur und Zivilisation steht. Das lyrische Ich preist den Genius als übermächtiges, gottgleiches Wesen, das aus der Hallen des griechischen Gottes Kronos entspringt. Es stellt eine Verbindung zwischen dem Genius und großen griechischen Künstlern wie Orpheus und Homer her. Es wird erwähnt, wie der Genius das Zeitalter der griechischen Blütezeit eröffnet und auf Liebe gründet, und wie er aus dem Blut der Kinder Trojas neues Leben und Schönheit durch das Lied des Mäoniden, also Homers, schöpft.

Die poetische Form des Gedichts ist abwechselnd, mit Strophen von unterschiedlicher Länge. Die Versmaße variieren und es gibt keinen erkennbaren Reimschema. Hier zeigt sich die romantische Freiheit von Hölderlin, der traditionelle formale Konventionen durchbricht, um sein Thema mit größerer Emotionalität und Leidenschaft auszudrücken.

Auch sprachlich ist das Gedicht sehr ausdrucksstark und intensiv, mit starken Bildern und mächtigen Metaphern. Hochpoetische und zum Teil altertümlich wirkende Ausdrücke und Wendungen sind zu finden („Erstgeborner Der hohen Natur“, „Hold und majestätisch herab“). Es ist geprägt von einer erhabenen, feierlichen Stimmung, die den Genius Griechenlands in höchsten Tönen lobpreist.

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Gedicht eine Hommage an die reiche Kultur und Geschichte Griechenlands und ihren Einfluss auf die westliche Zivilisation ist. Durch seine einzigartige Versform und seine kraftvolle Imagewelt ist es ein exemplarisches Beispiel für Hölderlins tiefen Respekt und Bewunderung für die klassische griechische Kultur.

Weitere Informationen

Johann Christian Friedrich Hölderlin ist der Autor des Gedichtes „Hymne an den Genius Griechenlands“. Geboren wurde Hölderlin im Jahr 1770 in Lauffen am Neckar. Zwischen den Jahren 1786 und 1843 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 63 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 261 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin sind „An unsre Dichter“, „Das Schicksal“ und „Das Unverzeihliche“. Zum Autor des Gedichtes „Hymne an den Genius Griechenlands“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 181 Gedichte vor.

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