Heidelberg von Johann Christian Friedrich Hölderlin

Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.
 
Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.
 
Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst
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Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,
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Und herein in die Berge
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Mir die reizende Ferne schien,
 
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Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
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Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
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Liebend unterzugehen,
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In die Fluten der Zeit sich wirft.
 
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Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
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Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
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All ihm nach, und es bebte
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Aus den Wellen ihr lieblich Bild.
 
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Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
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Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
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Von den Wettern zerrissen;
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Doch die ewige Sonne goß
 
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Ihr verjüngendes Licht über das alternde
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Riesenbild, und umher grünte lebendiger
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Efeu; freundliche Wälder
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Rauschten über die Burg herab.
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Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
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An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,
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Deine fröhlichen Gassen
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Unter duftenden Gärten ruhn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.3 KB)

Details zum Gedicht „Heidelberg“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
204
Entstehungsjahr
1770 - 1843
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Johann Christian Friedrich Hölderlin, einem Dichter der deutschen Romantik, der von 1770 bis 1843 lebte. Aus dieser zeitlichen Einordnung ergibt sich, dass das lyrische Ich eine romantische Natursicht und ein ideales Bild von Heimat hat.

Die erste Strophe deutet darauf hin, dass das Gedicht eine Ode an die Altstadt von Heidelberg ist. Hölderlin beschreibt seine tiefe Verbindung zu der Stadt und vergleicht sie mit einer Mutter, der er ein „kunstlos Lied“ schenken möchte - einfache Dichtung, die aus reinem Herzen kommt. Als „Vaterlandsstädte / Ländlichschönste“ wird Heidelberg zu einer idealisierten und idyllischen Darstellung von Heimat.

Im weiteren Verlauf beschreibt Hölderlin die Landschaft um Heidelberg und das Gefühl des Übergangs, das es erweckt. Er spricht von einer Brücke, die sich über einen Fluss spannt, und setzt diese in Beziehung zu dem leichten Flug eines Waldvogels. Die Brücke - laut und belebt von Menschen und Wagen - scheint das lyrische Ich an einen Ort der Freiheit und Abwechslung zu führen. Es wird sogar erwähnt, dass es durch einen „Zauber“ an diese Brücke gebunden wurde, vielleicht aufgrund der Verheißung eines anderen Lebens jenseits des Flusses.

Im vierten und fünften Versabschnitt entwickelt Hölderlin die Metapher des Flusses weiter, indem er ihn als „den Jüngling“ bezeichnet, der „traurigfroh“ in die Ferne zieht. Dies kann als Allegorie auf das Leben gedeutet werden, das in seiner Schönheit melancholisch ist und immer in Bewegung bleibt.

Die abschließenden Strophen bilden einen Kontrast, indem sie sich auf die kraftvolle, „gigantische“ Burg konzentrieren, die trotz ihres Alters immer noch von der „ewigen Sonne“ beleuchtet wird. Diese könnten als Allegorie auf die Vergänglichkeit und dennoch die Beständigkeit des Lebens angesehen werden.

Hinsichtlich der Form hat das Gedicht eine festgelegte Struktur von vier- und achtzeiligen Strophen, wobei jede Linie aus einem fünfhebigen Jambus mit weiblicher Kadenz besteht. Die verwendete Sprache ist bildhaft und beschreibend, mit starken Naturbildern und einem Hauch von Romantik, der typisch für Hölderlins Dichtung ist. Die häufigen Metaphern und Vergleiche tragen zur Schaffung einer idyllischen und zugleich dynamischen Atmosphäre bei, die sowohl das lyrische Ich als auch den Leser in ihren Bann zieht.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Heidelberg“ ist Johann Christian Friedrich Hölderlin. Im Jahr 1770 wurde Hölderlin in Lauffen am Neckar geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1786 und 1843. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 204 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Die Gedichte „Abbitte“, „Abendphantasie“ und „An Ihren Genius“ sind weitere Werke des Autors Johann Christian Friedrich Hölderlin. Zum Autor des Gedichtes „Heidelberg“ haben wir auf abi-pur.de weitere 181 Gedichte veröffentlicht.

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