Der Schatten von Eduard Mörike
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Von Dienern wimmelt's früh vor Tag, |
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Von Lichtern, in des Grafen Schloß. |
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Die Reiter warten sein am Tor, |
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Es wiehert morgendlich sein Roß. |
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Doch er bei seiner Frauen steht |
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Alleine noch im hohen Saal: |
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Mit Augen gramvoll prüft er sie, |
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Er spricht sie an zum letztenmal. |
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»Wirst du, derweil ich ferne bin |
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Bei des Erlösers Grab, o Weib, |
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In Züchten leben und getreu |
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Mir sparen deinen jungen Leib? |
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Wirst du verschließen Tür und Tor |
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Dem Manne, der uns lang entzweit, |
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Wirst meines Hauses Ehre sein, |
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Wie du nicht warest jederzeit?« |
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Sie nickt; da spricht er: »Schwöre denn!« |
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Und zögernd hebt sie auf die Hand. |
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Da sieht er bei der Lampe Schein |
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Des Weibes Schatten an der Wand. |
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Ein Schauer ihn befällt - er sinnt, |
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Er seufzt und wendet sich zumal. |
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Er winkt ihr einen Scheidegruß, |
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Und lässet sie allein im Saal. |
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Elf Tage war er auf der Fahrt, |
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Ritt krank ins welsche Land hinein: |
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Frau Hilde gab den Tod ihm mit |
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In einem giftigen Becher Wein. |
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Es liegt eine Herberg an der Straß, |
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Im wilden Tal, heißt Mutintal, |
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Da fiel er hin in Todesnot, |
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Und seine Seele Gott befahl. |
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Dieselbe Nacht Frau Hilde lauscht, |
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Frau Hilde luget vom Altan: |
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Nach ihrem Buhlen schaut sie aus, |
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Das Pförtlein war ihm aufgetan. |
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Es tut einen Schlag am vordern Tor, |
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Und aber einen Schlag, daß es dröhnt und hallt; |
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Im Burghof mitten steht der Graf |
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Vom Turm der Wächter kennt ihn bald. |
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Und Vogt und Zofen auf dem Gang |
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Den toten Herrn mit Grausen sehn, |
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Sehn ihn die Stiegen stracks herauf |
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Nach seiner Frauen Kammer gehn. |
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Man hört sie schreien und stürzen hin, |
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Und eine jähe Stille war. |
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Das Gesinde, das flieht, auf die Zinnen es flieht: |
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Da scheinen am Himmel die Sterne so klar. |
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Und als vergangen war die Nacht, |
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Und stand am Wald das Morgenrot, |
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Sie fanden das Weib in dem Gemach |
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Am Bettfuß unten liegen tot. |
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Und als sie treten in den Saal, |
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O Wunder! steht an weißer Wand |
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Frau Hildes Schatten, hebet steif |
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Drei Finger an der rechten Hand. |
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Und da man ihren Leib begrub, |
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Der Schatten blieb am selben Ort, |
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Und blieb, bis daß die Burg zerfiel; |
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Wohl stünd er sonst noch heute dort |
Details zum Gedicht „Der Schatten“
Eduard Mörike
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366
1804 - 1875
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Eduard Mörike, der von 1804 bis 1875 lebte. Damit zählt er zur Epoche des deutschen Biedermeier und ist ein wichtiger Vertreter der deutschen Romantik.
Das Gedicht erzählt die düstere Geschichte eines Ehepaares in einem Schloss. Es scheint Schwierigkeiten in ihrer Beziehung zu geben und der Graf scheint zu vermuten, dass seine Frau ihm untreu ist. Er konkretisiert seine Sorge, indem er sie fragt, ob sie ihm treu bleiben wird, während er auf Reisen ist. Sie verspricht es, und in diesem Moment bemerkt er ihren Schatten an der Wand. Der Schatten lässt ihn aufschrecken, er verabschiedet sich ohne weitere Worte und lässt sie alleine im Raum zurück. Auf seiner Reise stirbt er an einem Gift, das ihm seine Frau in seinem Wein gegeben hat. An dem Tag, an dem er stirbt, erscheint sein Schatten vor ihrer Tür und wandert durch das Schloss bis zu ihrer Kammer. Am nächsten Morgen findet man sie tot in ihrem Gemach und ihr Schatten ist an der Wand eingefroren, mit drei ausgestreckten Fingern.
Der Inhalt des Gedichts ist tragisch und düster. Das lyrische Ich scheint durch den Schatten eine Ahnung von dem bevorstehenden Verrat und Tod zu haben. Die wiederholte Erwähnung von Schatten und Licht scheint ein metaphorischer Hinweis auf Wahrheit und Täuschung zu sein.
Formal ist das Gedicht klassisch aufgebaut mit Reimen und einem stetigen Metrum. Seine Sprache ist einfach und direkt, mit einer deutlichen Handlung und Dialogen zwischen den Charakteren. Die Bilder und Metaphern sind klar und leicht verständlich. Die Wiederholung des Schattenthemas verleiht dem Gedicht eine spannungsgeladene Atmosphäre.
Zusammengefasst handelt es sich bei „Der Schatten“ von Eduard Mörike um eine düstere, tragische Geschichte. Es ist ein eindrückliches Beispiel für die Verwendung von Schatten und Licht als Metaphern für Wahrheit und Täuschung in der Literatur. Die einfache und direkte Sprache, zusammen mit dem stetigen Metrum und der deutlichen Handlung, machen es zu einem packenden und überzeugenden Gedicht.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Der Schatten“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Eduard Mörike. 1804 wurde Mörike in Ludwigsburg geboren. In der Zeit von 1820 bis 1875 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Biedermeier kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Mörike handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen und umfasst dabei 366 Worte. Der Dichter Eduard Mörike ist auch der Autor für Gedichte wie „Im Frühling“, „Septembermorgen“ und „Nimmersatte Liebe“. Zum Autor des Gedichtes „Der Schatten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 171 Gedichte vor.
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