Meiner Schwester von Eduard Mörike
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Nach dem Tode der Mutter, mit einem Blatt von der |
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Birke zwischen dem Pfarrhaus und dem Kirchhof zu |
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Cleversulzbach |
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Sommer 1841 |
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»Blättchen, das im losen Spiel |
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Winde durch die Lüfte tragen, |
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Blättchen, kannst du mir nicht sagen, |
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Wo ist deiner Wandrung Ziel?« |
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Ach ich weiß ein frommes Kind, |
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Dem möcht ich mich gern verbinden, |
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Und kann doch den Weg nicht finden, |
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So verstürmte mich der Wind. |
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Als ich aus der Knospe mich |
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Vor den Veilchen, früh, gerungen, |
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Kam das Liebchen oft gesungen |
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Durch den Garten morgendlich. |
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Aber da sich, glatt und schön, |
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Tät mein grünes Herzlein dehnen, |
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Sah ich sie in bittern Tränen |
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Unter unsern Zweigen stehn. |
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Und dort drüben überm Hag, |
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Steht das Röslein, steht die Weide, |
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Dahin wallte sie in Leide |
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Mir vorüber jeden Tag. |
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Freut' auch mich nichts weiter mehr, |
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Nicht die süße Maiensonne, |
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Bienenton und Schaukelwonne, |
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Keine kühle Mondnacht mehr. |
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Also welkt ich vor der Zeit, |
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Bin, bevor der Herbst gekommen, |
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Aus der Mutter Hut genommen |
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Und von der Geliebten weit. |
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Dürft ich zu ihr, ach wieviel |
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Sagt ich ihr von Lust und Schmerzen! |
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Und an dem getreusten Herzen |
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Fänd ich meiner Wandrung Ziel. |
Details zum Gedicht „Meiner Schwester“
Eduard Mörike
10
36
187
1804 - 1875
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Meiner Schwester“ stammt von dem deutschen Dichter Eduard Mörike und wurde im Sommer 1841, also in der Hochphase der poetischen Bewegung des Biedermeier, verfasst. Der erste Eindruck des Gedichts ist melancholisch und wehmütig, möglicherweise aufgrund eines Todesfalls in der Familie.
Der Inhalt des Gedichts kann einfach zusammengefasst werden: Das lyrische Ich identifiziert sich mit einem Blatt, das vom Wind weggetragen wird und sich wünscht, zu einem geliebten Menschen zurückkehren zu können. Das lyrische Ich fühlt sich verloren und ziellos, getrieben vom Wind der Veränderung. Es erinnert sich an glücklichere Zeiten, in denen es noch Teil eines lebendigen Ganzen war und als Blatt den morgendlichen Gesang des geliebten Menschen hörte. Mit dem Tod der Mutter und dem Verlust ihrer schützenden Gegenwart fühlt sich das lyrische Ich vor seiner „Zeit verwelkt“ und sehnt sich nach dem Trost und der Verbindung, die die geliebte Person ihm geben kann.
In Bezug auf die Form des Gedichts besteht dieses aus zehn Strophen mit jeweils vier Versen. Die Verse sind in einem gemäßigten Rhythmus geschrieben und geben dem Gedicht einen fließenden, fast musikalischen Charakter. Die Sprache des Gedichts ist einfühlsam und bildhaft, mit einer starken Nutzung von Naturelementen wie Blättern, Wind und Jahreszeiten, um den emotionalen Zustand des lyrischen Ichs darzustellen. Dieser Einsatz der Natur entspricht dem biedermeierlichen Verständnis von Poesie.
Über die Analyse der Form und der Sprache hinaus ist das Gedicht ein Beispiel für die Romantisierung des Todes und der Trauer, die in der Literatur des Biedermeier häufig vorkommt. Dies lässt darauf schließen, dass das lyrische Ich durch den Verlust eines geliebten Menschen, wahrscheinlich der Mutter, zutiefst verwundet ist und durch die Identifikation mit dem Blatt seine Gefühle von Trauer, Verlust und Sehnsucht ausdrückt.
Weitere Informationen
Eduard Mörike ist der Autor des Gedichtes „Meiner Schwester“. Mörike wurde im Jahr 1804 in Ludwigsburg geboren. Zwischen den Jahren 1820 und 1875 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Biedermeier zuordnen. Der Schriftsteller Mörike ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 187 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 36 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Eduard Mörike sind „Elfenlied“, „Er ist’s“ und „Gebet“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Meiner Schwester“ weitere 171 Gedichte vor.
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