An meinen Vetter von Eduard Mörike

Lieber Vetter! Er ist eine
Von den freundlichen Naturen,
Die ich Sommerwesten nenne.
Denn sie haben wirklich etwas
Sonniges in ihrem Wesen.
Es sind weltliche Beamte,
Rechnungsräte, Revisoren,
Oder Kameralverwalter,
Auch wohl manchmal Herrn vom Handel,
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Aber meist vom ältern Schlage,
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Keinesweges Petitmaitres,
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Haben manchmal hübsche Bäuche,
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Und ihr Vaterland ist Schwaben.
 
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Neulich auf der Reise traf ich
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Auch mit einer Sommerweste
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In der Post zu Besigheim
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Eben zu Mittag zusammen.
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Und wir speisten eine Suppe,
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Darin rote Krebse schwammen,
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Rindfleisch mit französ'schem Senfe,
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Dazu liebliche Radieschen,
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Dann Gemüse, und so weiter:
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Schwatzten von der neusten Zeitung,
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Und daß es an manchen Orten
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Gestern stark gewittert habe.
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Drüber zieht der wackre Herr ein
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Silbern Büchslein aus der Tasche,
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Sich die Zähne auszustochern;
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Endlich stopft er sich zum schwarzen
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Kaffee seine Meerschaumpfeife,
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Dampft und diskurriert und schaut in
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mittelst einmal nach den Pferden.
 
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Und ich sah ihm so von hinten
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Nach und dachte: Ach, daß diese
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Lieben, hellen Sommerwesten,
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Die bequemen, angenehmen,
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Endlich doch auch sterben müssen!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.3 KB)

Details zum Gedicht „An meinen Vetter“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
37
Anzahl Wörter
166
Entstehungsjahr
1837
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichtes ist Eduard Mörike, ein bedeutender Dichter der deutschen Romantik, geboren 1804 und gestorben 1875. Das Gedicht gehört daher in die Zeit des 19. Jahrhunderts.

Der erste Eindruck des Gedichtes ist alltäglich, freundlich, aber auch etwas melancholisch. Mörike wendet sich an seinen „Vetter“ und spricht von Begegnungen und Menschen, die er liebevoll und humorvoll als „Sommerwesten“ bezeichnet und beschreibt.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das Bild eines gewöhnlichen, aber angenehmen Menschen, den der lyrische Sprecher als Beispiele für eine bestimmte Art von Menschen nutzt. Im ersten Teil des Gedichtes charakterisiert der Sprecher diese Menschen: Sie seien freundlich, sonnig, meist ältere Herrn, die beruflich in der Verwaltung oder im Handel tätig seien, oft einen Bauch hätten und aus Schwaben stammen. Im zweiten Teil wird eine Begegnung mit einem solchen „Sommerwesten“ erzählt, bei einer gemeinsamen Mahlzeit und Plauderei. Der dritte und letzte Teil bringt einen melancholischen Zug, indem der Sprecher bedauert, dass auch diese lieben Menschen einmal sterben müssen.

Mörike benutzt eine einfache, in Teilen fast umgangssprachliche Sprache. Die Strophen sind unterschiedlich lang und haben keinen durchgängig gleichbleibenden Versfuß oder Reimform. Auf diese Weise bringt er den alltagsnahen Inhalt des Gedichtes zur Geltung. Seine Wortwahl ist bildhaft und ironisch, mit Begriffen wie „Sommerwesten“, „weltliche Beamte“ oder „hübsche Bäuche“, wodurch eine heitere, liebevolle Atmosphäre entsteht. Gleichzeitig zeigt die Schlussstrophe mit dem Gedanken an den Tod eine ernste Seite und gibt dem Gedicht Tiefe. Durch diese Kombination aus Alltäglichkeit und Tiefsinn entsteht ein realistisches und warmherziges Bild der Menschen, die Mörike beobachtet und beschreibt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „An meinen Vetter“ ist Eduard Mörike. Geboren wurde Mörike im Jahr 1804 in Ludwigsburg. Im Jahr 1837 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Biedermeier zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Mörike handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 37 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 166 Worte. Eduard Mörike ist auch der Autor für Gedichte wie „An einem Wintermorgen, vor Sonnenaufgang“, „Elfenlied“ und „Er ist’s“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An meinen Vetter“ weitere 171 Gedichte vor.

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