Vor meinem Kinderporträt von Joachim Ringelnatz
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Da ich ganz fremd mein Kinderbildnis sah, |
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Die Augen meiner Kindheit standen da |
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Vor mir, photographiert. Die Augen, die |
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So wenig sahn vor lauter Phantasie. |
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Nun wird mein Jahrgang wohl bald sterben müssen. |
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Diese Betrachtung klingt zurecht sehr schal. |
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Auch ist's ein schiefes Tun, sich selbst zu küssen. |
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Ich wurde weinerlich vor fremden Leuten. |
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Ich sah mich selber im Eswareinmal |
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Und wußte mir so viel daraus zu deuten. |
Details zum Gedicht „Vor meinem Kinderporträt“
Joachim Ringelnatz
2
10
68
1932
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Vor meinem Kinderporträt“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, der von 1883 bis 1934 lebte. Dies erlaubt eine zeitliche Einordnung in das frühe 20. Jahrhundert und zu Zeiten der Weimarer Republik, einer Zeit der großen kulturellen und literarischen Entwicklung in Deutschland, trotz der politischen und sozialen Spannungen, die sie charakterisierten.
Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen einen melancholischen und nachdenklichen Eindruck. Es artikuliert ein Gefühl der Vergänglichkeit und Reflektion über das eigene Leben.
Der Inhalt des Gedichts konzentriert sich auf das lyrische Ich, das sich selbst in seiner Kindheit betrachtet, indem es ein altes Porträtfoto betrachtet. Dieses Bild löst eine Reflexion über die eigenen Augen, Symbole der Wahrnehmung und Fantasie aus. Die Wiederbegegnung mit der Vergangenheit führt zur Vorwegnahme der unvermeidlichen Zukunft, dem Sterben. Eine gewisse Selbstironie schwingt in den Betrachtungen des lyrischen Ichs mit, insbesondere in Vers 7, aber es endet mit der melancholischen Erkenntnis, dass Vergangenheit nur in der Erinnerung existiert – im „Eswareinmal“.
Formal besteht das Gedicht aus zwei Strophen unterschiedlicher Länge, vier Versen in der ersten und sechs in der zweiten. Die Zeilen zeigen keinen einheitlichen Reim, jedoch ein gewisses metrisches Gefühl durch die strukturierten Verslängen. Die Sprache ist einfach und doch gibt es durch die Selbstanalyse durch die Kinderaugen, die metaphorische Darstellung von Lebenszeit und die spielerische Selbstironie eine gewisse Tiefe.
Zusammenfassend zeigt das Gedicht eindrücklich eine Reflexion des Alterungsprozesses und der Vergänglichkeit des Lebens. Es illustriert die Rolle der Erinnerung und der Fantasie in der Wahrnehmung des eigenen „Ich“ und der eigenen Existenz. Dabei ist die Sprache von Ringelnatz zugleich einfach und reich an Bedeutung und Schattierungen der menschlichen Erfahrung. Das Gedicht ist in seiner Klarheit bewegend und regt zur weiteren Reflexion an.
Weitere Informationen
Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Vor meinem Kinderporträt“. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1932. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 10 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 68 Worte. Die Gedichte „Abgesehen von der Profitlüge“, „Abglanz“ und „Abschied von Renée“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Vor meinem Kinderporträt“ weitere 560 Gedichte vor.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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