Stille Straße von Joachim Ringelnatz

Nachts. – Straße. – Fragen Sie nicht wo und wann.
Auch gleich vorausgesagt, daß nichts geschah. –
Da stand ein unscheinbarer, älterer Mann,
Der unverwandt nach einem Fenster sah.
 
Vielleicht war er – Ich hatte leider Zeit –
Ein Lump, ein Trunkner oder ein Idiot –
Doch es schlägt niemals eine Möglichkeit
Die andre tot.
 
Wenn solch ein Anblick uns sechs-, siebenmal
10 
Um einen Häuserblock spazierentreibt,
11 
Zu sehen, wie der Mann dort stehenbleibt;
12 
Vielleicht sind wir dann nur sentimental.
 
13 
Aber dem Einsamen ist Stilles nah,
14 
Wenn er das Laute nicht bezahlen kann. –
 
15 
Da stand ein unscheinbarer, älterer Mann,
16 
Der unverwandt nach einem Fenster sah.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Stille Straße“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
98
Entstehungsjahr
1934
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Stille Straße“ stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Ringelnatz war Teil der Weimarer Republik und seine Werke könnten dem Expressionismus zugeordnet werden oder auch der Dada-Bewegung, aufgrund seiner oft absurden lyrischen Inhalte.

Auf den ersten Eindruck erzeugt das Gedicht eine eher düstere, melancholische und geheimnisvolle Stimmung. Die nächtliche Straßenszene mit dem unbekannten, älteren Mann, der „unverwandt nach einem Fenster“ schaut, weckt Neugier und Spekulation.

Das Gedicht erzählt von einer Beobachtung, die das lyrische Ich in der Nacht und auf einer leeren Straße macht: Ein älterer, unscheinbarer Mann, der ausschließlich und ununterbrochen auf ein Fenster starrt. Die Gedanken des lyrischen Ichs wechseln zwischen verschiedenen Vermutungen über die Identität und den Zustand dieses Mannes – „Ein Lump, ein Trunkner oder ein Idiot“ – und es reflektiert über die Bedeutung seiner eigenen Neugier und Empfindlichkeit – „Vielleicht sind wir dann nur sentimental“.

Die zentrale Aussage des Gedichts scheint auf das Gefühl der Einsamkeit und das Leid des Mannes hinzudeuten, was durch die ununterbrochene und fixierte Aufmerksamkeit auf das Fenster symbolisiert werden könnte. Es könnte auch als Kritik an der Indifferenz und Vorurteilen der Gesellschaft gesehen werden, die zu voreiligen Beurteilungen verleiten kann („Ein Lump, ein Trunkner oder ein Idiot“).

Das Gedicht besteht aus fünf Strophen mit unterschiedlicher Länge. Die ersten drei Strophen haben jeweils vier Verse, die letzten beiden Strophen jedoch nur jeweils zwei Verse. Das erzeugt eine gewisse Asymmetrie und Unregelmäßigkeit, die zur unbestimmten und rätselhaften Atmosphäre des Gedichts beiträgt. Die Titel der einzelnen Strophen und die Auflistung der Versnummern können als Hinweis auf die Struktur und Gestaltung des Gedichts verstanden werden. Die Sprache ist direkt und unverschnörkelt mit relativ einfachen Wörtern und ohne ausgefallene metaphorische Sprache, was die Realität der Szene unterstreicht.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Stille Straße“ ist Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Im Jahr 1934 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 98 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abschied von Renée“, „Abschiedsworte an Pellka“ und „Afrikanisches Duell“. Zum Autor des Gedichtes „Stille Straße“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Joachim Ringelnatz

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Joachim Ringelnatz und seinem Gedicht „Stille Straße“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz (Infos zum Autor)

Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.