Angstgebet in Wohnungsnot von Joachim Ringelnatz

Ach, lieber Gott, gib, daß sie nicht
Uns aus der Wohnung jagen.
Was soll ich ihr denn noch sagen –
Meiner Frau – in ihr verheultes Gesicht!?
 
Ich ringe meine Hände.
Weil ich keinen Ausweg fände,
Wenn's eines Tags so wirklich wär:
Bett, Kleider, Bücher, mein Sekretär, –
Daß das auf der Straße stände.
 
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Sollt ich's versetzen, verkaufen?
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Ist all doch nötigstes Gerät.
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Wir würden, einmal, die Not versaufen,
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Und dann: wer weiß, was ich tät.
 
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Ich hänge so an dem Bilde,
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Das noch von meiner Großmama stammt.
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Gott, gieße doch etwas Milde
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Über das steinerne Wohnungsamt.
 
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Wie meine Frau die Nacht durchweint,
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Das barmt durch all meine Träume.
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Gott, laß uns die lieben zwei Räume
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Mit der Sonne, die vormittags hinein scheint.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Angstgebet in Wohnungsnot“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
21
Anzahl Wörter
120
Entstehungsjahr
1923
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Angstgebet in Wohnungsnot“ stammt von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten. Ringelnatz wurde 1883 geboren und starb 1934, das Gedicht ist also vermutlich in der Zeit der Weimarer Republik oder des beginnenden Dritten Reichs entstanden.

Auf den ersten Blick scheint sich das Gedicht mit der bedrückenden Situation der Wohnungsnot zu befassen, was zu sozialen Problemen und existenzieller Unsicherheit führt. Das lyrische Ich spricht seine Ängste und Sorgen aus, seine Wohnung zu verlieren und seine Habseligkeiten verkaufen zu müssen. Es wendet sich mit einem Gebet an Gott, aus Verzweiflung und Angst.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das verzweifelte Betteln und Flehen des lyrischen Ichs um Hilfe und Barmherzigkeit in einer aussichtslosen Situation. Die Wohnung, das Zuhause, ist mehr als nur ein Ort zum Schlafen. Sie ist der Ort, an dem Erinnerungen und Hoffnungen leben, ein Raum der Nähe und Intimität. Der Verlust der eigenen vier Wände wird als existenzieller Einschnitt empfunden, der das Leben des lyrischen Ichs und seiner Familie zerstört.

In puncto Form besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl. Die Sprache ist einfach und direkt, emotional und eindringlich. Trotz der schlichten Worte ist eine intensive Emotionalität spürbar, die das Ausmaß der Verzweiflung verdeutlicht. Der gebetsartige Charakter verleiht dem Gedicht eine besondere Intensität und Tiefe. Gegen Ende scheint das lyrische Ich schließlich auf g göttliche Hilfe zu hoffen und bittet Gott, Milde über das „steinerne Wohnungsamt“ gießen.

Letztendlich zeigt das Gedicht auf eindrucksvolle Weise die existenzielle Not und Verzweiflung von Menschen in prekären Lebenssituationen. Es macht deutlich, welchen emotionalen Schmerz und welche Angst die ständige Bedrohung durch Wohnungslosigkeit auslösen kann. Es ist ein starkes Plädoyer für mehr Menschlichkeit und Mitgefühl in einer Gesellschaft, die Menschen in solche Situationen drängt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Angstgebet in Wohnungsnot“ des Autors Joachim Ringelnatz. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1923 entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das 120 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 21 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Die Gedichte „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“ sind weitere Werke des Autors Joachim Ringelnatz. Zum Autor des Gedichtes „Angstgebet in Wohnungsnot“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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