Reklame von Joachim Ringelnatz

Ich wollte von gar nichts wissen.
Da habe ich eine Reklame erblickt,
Die hat mich in die Augen gezwickt
Und ins Gedächtnis gebissen.
 
Sie predigte mir von früh bis spät
Laut öffentlich wie im stillen
Von der vorzüglichen Qualität
Gewisser Bettnässer-Pillen.
 
Ich sagte; „Mag sein! Doch für mich nicht! Nein, nein!
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Mein Bett und mein Gewissen sind rein!“
 
11 
Doch sie lief weiter hinter mir her.
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Sie folgte mir bis an die Brille.
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Sie kam mir aus jedem Journal in die Quer
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Und säuselte: „Bettnässer-Pille.“
 
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Sie war bald rosa, bald lieblich grün.
16 
Sie sprach in Reimen von Dichtern.
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Sie fuhr in der Trambahn und kletterte kühn
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Nachts auf die Dächer mit Lichtern.
 
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Und weil sie so zähe und künstlerisch
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Blieb, war ich ihr endlich zu Willen.
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Es liegen auf meinem Frühstückstisch
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Nun täglich zwei Bettnässer-Pillen.
 
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Die ißt meine Frau als „Entfettungsbonbon“.
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Ich habe die Frau belogen.
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Ein holder Frieden ist in den Salon
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Meiner Seele eingezogen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Reklame“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
155
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichts ist Joachim Ringelnatz, ein deutscher Schriftsteller, Humorist und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Das Gedicht „Reklame“ kann in die Zeit der Weimarer Republik eingeordnet werden, in der Ringelnatz besonders aktiv und bekannt war.

Mein erster Eindruck ist, dass das Gedicht humoristisch und kritisch ist. Es handelt sich um eine satirische Betrachtung der Werbebranche, ihrer Methoden und ihrer Auswirkungen auf den Einzelnen.

Ringelnatz beschreibt anhand einer Werbung für Bettnässer-Pillen, wie er als Konsument ungefragt mit Werbebotschaften konfrontiert wird, die sich aufdringlich in sein Bewusstsein drängen und ihn nicht in Ruhe lassen („Sie lief weiter hinter mir her“). Trotz anfänglichen Widerstands („Ich sagte; ‚Mag sein! Doch für mich nicht! Nein, nein! Mein Bett und mein Gewissen sind rein!‘“) gibt er schließlich dem Werbedruck nach und kauft das beworbene Produkt („Es liegen auf meinem Frühstückstisch nun täglich zwei Bettnässer-Pillen.“). Zusätzlich zu dem humoristischen Inhalt, beinhaltet das Gedicht auch eine Sozialkritik, die sich gegen die manipulative Kraft der Werbeindustrie richtet.

Das Gedicht besteht aus sieben Strophen, die jeweils vier Verse enthalten, mit Ausnahme der dritten, die nur zwei Verse hat. Die Form ist dadurch klar und übersichtlich. Sprachlich verwendet Ringelnatz eine direkte, verständliche Sprache mit einem leichten humoristischen Unterton. Die Kombination aus Alltagssprache und Reim trägt zur humoristischen und satirischen Wirkung des Gedichts bei.

Ringelnatz verwendet bildhafte Sprache, um die Wirkung der Werbung zu veranschaulichen („Die hat mich in die Augen gezwickt und ins Gedächtnis gebissen.“). Ebenfalls benutzt er Sprachbilder, um die Beharrlichkeit und Durchdringungskraft der Werbung zu verdeutlichen („Sie war bald rosa, bald lieblich grün. Sie sprach in Reimen von Dichtern.“).

Das Gedicht bietet somit eine amüsante, gleichzeitig aber gesellschaftskritische Betrachtung der Werbeindustrie und ihres Einflusses auf das Konsumverhalten des Einzelnen. Es zeigt auf humorvolle Art und Weise, wie schwer es für den Einzelnen ist, sich der durchdringenden Flut von Werbebotschaften zu entziehen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Reklame“ des Autors Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. 1928 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 155 Worte. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „Abermals in Zwickau“, „Abgesehen von der Profitlüge“ und „Abglanz“. Zum Autor des Gedichtes „Reklame“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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