Paul Wegener von Joachim Ringelnatz

Der Regen ist noch regener,
Wenn er aufs Wasser niedergeht.
 
Gleich fest in jedem Wetter steht
Ein großer Stein, Paul Wegener.
 
Nicht Edel-, Halb, noch Straßenstein,
Vor allen Dingen und ganz gewiß
Kein Similis.
 
Und nun bewegt sich und uns dieser Stein.
Ein Schauspieler, der kein
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Theater spielt
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Und nicht schielt.
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Ein Hagen von Tronje, ein Zotteltier,
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Ein rührender Alter, ein Kavalier.
 
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Und hinter den Kulissen
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Ein fröhliches Gewissen,
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Ein anständiger Kamerad.
 
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Und daheim, am Karlsbad,
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Im Kreise seiner geschiedenen Frau’n,
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Die alle ihm bleiben und ihm vertrau’n,
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Neben seiner noch nicht geschiedenen,
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Zusammen mit lauter zufriedenen
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Kindern und Freunden vor einem Kapaun.
 
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Und drum rum
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Bilder und Buddhas schön und stumm,
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Die er schätzt und uns nennt,
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Und deren Seele er kennt.
 
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Als ich im Filmatelier bei ihm war,
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Stand er mit violettem Haar
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Zwischen phantastischem Alldingsgewirr,
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Riß aus dem Tisch ein Bein
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Und – bums klirr –
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Schlug er damit in ein Fenster hinein.
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Das mußte so – so mußte es sein.
 
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Und dann spät nachts,
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Da er müde müßte sein – –
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Nein! – –
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Ging er noch weiter,
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Tanzte, trank Wein
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Bis in die helle Stunde
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Weitarmig und heiter,
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Mit guten und bösen Geistern im Bunde.
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Ein lebendiger Roland aus Stein,
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Der, was er liebt,
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Gern, groß und ehrlich gibt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Paul Wegener“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
209
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Paul Wegener“ ist von Joachim Ringelnatz, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkte. Nach ersten Eindruck thematisiert das Gedicht das Leben und Wirken von Paul Wegener, einem berühmten Schauspieler zu Ringelnatz' zeiten, dessen Darstellungskraft und Persönlichkeit hier hervorgehoben wird.

Der Inhalt des Gedichts baut ein Porträt von Paul Wegener, den Ringelnatz als standhaften und authentischen Schauspieler charakterisiert, der sich nicht durch Unwetter oder künstliche und fake Emotionen beirren lässt. Er ist ein „Stein“ - fest, unnachgiebig, unerschütterlich. Aber er ist weit mehr als das, er ist ein Mensch mit Dimensionen und Tiefe, ein Künstler, der sich seinen Respekt verdient hat.

Die Form des Gedichts ist recht unkonventionell mit wechselnden Verszahlen in den einzelnen Strophen. Vor allem in der Art und Weise, wie Ringelnatz seine Worte wählt und arrangiert - mal ernst, mal humorvoll, mal nachdenklich - spiegelt sich die sprachliche Vielseitigkeit und der spielerische Umgang mit der deutschen Sprache wider, für die der Dichter bekannt ist.

Ringelnatz verwendet einfache, alltägliche Wortwahl und führt den Leser durch eine Reihe von Alltags- und Bühnenszenen, die Paul Wegener menschlich und greifbar machen und beide Seiten seines Lebens - privat und professionell - aufzeigen. Trotz seiner Prominenz und seines Talents bleibt Wegener ein „anständiger Kamerad“, ein Mann mit einem „fröhlichen Gewissen“, das in seiner Dichtung und darstellenden Kunst zum Ausdruck kommt.

Über all dem steht das Bild des „lebendigen Roland aus Stein“, das sowohl Wegeners Standhaftigkeit und Ausdauer als auch seinen brennenden Enthusiasmus und seine Freude an seinem Handwerk symbolisiert. Das Gedicht endet mit einem Lob auf seine Großzügigkeit und Authentizität: Er gibt, was er liebt, „Gern, groß und ehrlich“.

Insgesamt ist Ringelnatz' „Paul Wegener“ ein kraftvolles und liebevolles Porträt einer herausragenden Figur der damaligen Theaterszene. Durch die lebendige Charakterisierung erhält der Leser Einblick in das Innenleben eines Schauspielers und Dichters, der die Menschen durch sein Werk berührt hat.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Paul Wegener“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. Das Gedicht ist im Jahr 1928 entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das 209 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Der Dichter Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Paul Wegener“ weitere 560 Gedichte vor.

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