Miß Longwieles Stoßgähnen von Joachim Ringelnatz
Ein Chanson
1 |
Uah! Ich wollte, ich hätte |
2 |
An Stelle meiner Beine zwei |
3 |
Stuhlbeine aus Holz oder Blei –. |
4 |
Dann wünschte niemand sich das Zeugs ins Bette. |
|
|
5 |
Mein Unterrücks – müßte ein – – |
6 |
Müßte eine Plakatsäule sein. |
7 |
Ach nein. |
8 |
Wie dumm! |
9 |
Dann stünden sie ja erst recht herum. |
|
|
10 |
Mein Busen – (schöner Gedanke) |
11 |
Wäre eine Planke, |
12 |
Mit Stacheldraht |
13 |
Und frisch geteert. |
14 |
Dann käme der nächste Soldat, |
15 |
Sagte: „Danke. |
16 |
Ganze Abteilung kehrt!“ |
|
|
17 |
Und an meiner Nase hinge |
18 |
Ewig ein Hühnerei, |
19 |
Und bei jedem Niesen ginge |
20 |
Das Ei entzwei. |
21 |
Wären die Augen aus Stein, |
22 |
Schwarz die Zähne und ohne Schmelz – – |
|
|
23 |
Einmal arm möcht’ ich sein, |
24 |
Einsam, verachtet, bedauert. – |
|
|
25 |
Reich mir den Pelz. |
26 |
Anspannen! Mich schauert. |
Details zum Gedicht „Miß Longwieles Stoßgähnen“
Joachim Ringelnatz
6
26
106
1924
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Miß Longwieles Stoßgähnen“ wurde von Joachim Ringelnatz geschrieben, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebte und arbeitete.
Der erste Eindruck dieses Gedichts ist eher bizarr und humorvoll, eine typische Eigenschaft von Ringelnatz' Werk. Es wird aus der Perspektive einer Frau namens Miss Longwiele erzählt, die sich über ihren Körper und seine Attraktivität für Männer beschwert. Sie drückt den Wunsch aus, unattraktiver und abschreckender zu sein, damit sie von Männern in Ruhe gelassen wird.
Im Gedicht wünscht sich das lyrische Ich unterschiedliche körperliche Veränderungen, unter anderem Holz- oder Bleibeine, einen Unterleib wie eine Plakatsäule, eine Brust wie eine mit Stacheldraht bewehrte Planke und Gesichtszüge, die so unansehnlich sind, dass sie unattraktiv wirken. Sie sehnt sich nach Einsamkeit und Ablehnung, eine deutliche Aufforderung zur Abgrenzung.
In Bezug auf die Form des Gedichts ist es in freien Versen geschrieben, ohne ein festes Reimschema oder eine konsequente Versstruktur, was typisch für die moderne Poesie des beginnenden 20. Jahrhunderts ist, in welcher der Dichter lebte.
Die Sprache des Gedichts ist umgangssprachlich und direkt mit einer Prise Humor und Sarkasmus, womit sich Ringelnatz oft über die gesellschaftlichen Normen und Erwartungen lustig macht. Dies wird besonders deutlich, wenn die Protagonistin ihre absurd-komischen Wünsche äußert, nur um ihre Unzufriedenheit mit der Aufmerksamkeit, die sie von Männern erhält, zu unterstreichen.
Das lyrische Ich möchte, dass ihr gesellschaftlicher Wert nicht auf ihrem Aussehen basiert und sehnt sich nach der Möglichkeit, als Individuum und nicht als Objekt der Begierde wahrgenommen zu werden. Dieser Wunsch ist zugleich eine scharfe Kritik an der gesellschaftlichen Erwartung, dass Frauen auf ihr Aussehen reduziert werden. Ringelnatz nutzt absurde Visualisierungen, um diese Kritik humorvoll zu vermitteln. Dabei bleibt der Ton des Gedichts leicht und sarkastisch, was es zu einem typischen Beispiel für Ringelnatz' literarisches Schaffen macht.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Miß Longwieles Stoßgähnen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1924. Der Erscheinungsort ist München. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 106 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Der Dichter Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“. Zum Autor des Gedichtes „Miß Longwieles Stoßgähnen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.
+ Mehr Informationen zum Autor / Gedicht einblenden.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?
Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Joachim Ringelnatz
Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Joachim Ringelnatz und seinem Gedicht „Miß Longwieles Stoßgähnen“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.
Weitere Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz (Infos zum Autor)
- ...als eine Reihe von guten Tagen
- 7. August 1929
- Abendgebet einer erkälteten Negerin
- Abermals in Zwickau
- Abgesehen von der Profitlüge
- Abglanz
- Abschied von Renée
- Abschiedsworte an Pellka
- Afrikanisches Duell
- Alone
Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt