Heiterer Frühling von Georg Trakl

Am Bach, der durch das gelbe Brachfeld fließt,
Zieht noch das dürre Rohr vom vorigen Jahr.
Durchs Graue gleiten Klänge wunderbar,
Vorüberweht ein Hauch von warmem Mist.
 
An Weiden baumeln Kätzchen sacht im Wind,
Sein traurig Lied singt träumend ein Soldat.
Ein Wiesenstreifen saust verweht und matt,
Ein Kind steht in Konturen weich und lind.
 
Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch,
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Auch fliehn im Rauch Gestalten aufgelöst.
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Hell Grünes blüht und anderes verwest
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Und Kröten schliefen durch den jungen Lauch.
 
13 
2.
14 
Dich lieb ich treu du derbe Wäscherin.
15 
Noch trägt die Flut des Himmels goldene Last.
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Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt;
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Ein wächsern Antlitz fließt durch Erlen hin.
 
18 
In Gärten sinken Glocken lang und leis
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Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt.
20 
Das sanfte Korn schwillt leise und verzückt
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Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß.
 
22 
Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann!
23 
In seine Hütte fällt ein lauer Strahl.
24 
Der Wald strömt durch den Abend herb und fahl
25 
Und Knospen knistern heiter dann und wann.
 
26 
3.
27 
Wie scheint doch alles Werdende so krank!
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Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist;
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Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist
30 
Und öffnet das Gemüte weit und bang.
 
31 
Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht
32 
Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh.
33 
Die Liebenden blühn ihren Sternen zu
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Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht.
 
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So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;
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Und leise rührt dich an ein alter Stein:
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Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.
38 
O Mund! der durch die Silberweide bebt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.9 KB)

Details zum Gedicht „Heiterer Frühling“

Autor
Georg Trakl
Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
38
Anzahl Wörter
247
Entstehungsjahr
1913
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht „Heiterer Frühling“ stammt aus der Feder von Georg Trakl, einem österreichischen Lyriker, der von 1887 bis 1914 lebte. Somit lässt sich das Gedicht in die Zeit des frühen 20. Jahrhunderts einordnen.

Das Gedicht hinterlässt auf den ersten Blick einen beschaulichen und bildreichen Eindruck. In neun Strophen mit vier bzw. fünf Versen beschreibt Trakl einen Frühlingstag. Es scheint, als würde das lyrische Ich die Landschaft und die darin stattfindenden Veränderungen durch das Aufkommen des Frühlings beobachten und schildern.

In einfachen Worten beschreibt das lyrische Ich das Erwachen der Natur: Bäume, Weiden, Kätzchen, Blumen und Tiere kommen zur Sprache. Es wird aus der Sicht einer Person berichtet, die die Natur sehr genau beobachtet und die Details bestaunt. Es schwingt jedoch auch eine gewisse Melancholie mit. So merkt etwa der Autor an, dass der Frühling gleichzeitig Geburt und Vergehen bedeutet. Hier kann eine Interpretation vorgenommen werden: Das lyrische Ich könnte das stete Werden und Vergehen in der Natur auf das menschliche Leben beziehen und so die Vergänglichkeit und den Kreislauf des Lebens reflektieren. In der letzten Strophe taucht eine Stimme auf, die verspricht, immer da zu sein. Wer oder was das ist, bleibt offen - es könnte Gott, die Natur oder der Dichter selbst sein.

Form und Sprache des Gedichts sind gekennzeichnet durch eine einfache, klare und bildreiche Ausdrucksweise. Es findet kein Reimschema statt, während bei der Metrik auch kein strikt durchgehaltenes Muster zu erkennen ist. Die Sprache ist teils stark bildhaft und metaphorisch und kann so verschiedene Lesarten zulassen. Der Wechsel von Vergänglichkeit und Wachstum, Tod und Leben, wird über das ganze Gedicht hinweg aufrecht erhalten und gibt ihm eine melancholische Atmosphäre.

Abschließend lässt sich sagen, dass „Heiterer Frühling“ ein Gedicht ist, das die Natur in all ihren Facetten feiert, dabei jedoch auch die Vergänglichkeit des Lebens thematisiert. Es regt den Leser dazu an, die Schönheit der Natur zu genießen und sich gleichzeitig seiner Endlichkeit bewusst zu werden.

Weitere Informationen

Georg Trakl ist der Autor des Gedichtes „Heiterer Frühling“. Geboren wurde Trakl im Jahr 1887 in Salzburg. Das Gedicht ist im Jahr 1913 entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Expressionismus zuordnen. Bei dem Schriftsteller Trakl handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 247 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 38 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Der Dichter Georg Trakl ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Raben“, „Die Ratten“ und „Die junge Magd“. Zum Autor des Gedichtes „Heiterer Frühling“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 60 Gedichte vor.

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