Gassenkreuzung von Joachim Ringelnatz

Was wohl Huren denken,
Wenn zwei Hochzeitswagen
Um die Ecke schwenken?!
Kannst du sie nicht fragen,
Dann erfährst du's nie. — —
 
Wenn ein Mädchen, die
Ladenschwelle scheuert
Und von hinten aussieht wie
Eine Maid von sechzehn Jahren,
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Und du fühlst dich Mann. Dann steuert
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Dich frivole Phantasie;
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Laß dich nicht vom Auto überfahren!!
 
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Wenn ein Straßenkehrer Pferdemist
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Lieblos von deinem Schatten fegt,
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Und du überlegst, ob er sich überlegt,
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Ob du irrsinnig bist —,
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Ach dann schenk ihm etwas, und viel mehr,
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Und freue dich sehr!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Gassenkreuzung“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
84
Entstehungsjahr
1932
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Der Autor dieses Gedichts ist Joachim Ringelnatz, ein deutscher Schriftsteller und Kabarettist, der zwischen 1883 und 1934 lebte. Dieses Gedicht stammt somit aus einer Zeit, die allgemein als Zwischenkriegszeit bezeichnet wird, eine Epoche großen sozialen und politischen Wandels.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass es eine ungewöhnliche Mischung aus Realismus und Sarkasmus bietet. Es stellt alltägliche Situationen und die zugehörigen Gefühle dar, die die Personen in diesen betreffen.

Das lyrische Ich scheint verschiedene Gedankengänge und Reaktionen auf Situationen auf der Straße zu präsentieren und regt dabei dazu an, die Sichtweisen anderer Menschen in diesen Situationen zu betrachten. In der ersten Strophe dreht sich alles darum, wie Prostituierte auf Hochzeitsprozessionen reagieren könnten, und dass wir diese Perspektive nie wirklich verstehen können, es sei denn, wir fragen sie direkt. Die zweite Strophe erzählt von der Erregung, die ein Mädchen auslösen kann, und die darauffolgende Aufforderung, vorsichtig zu sein und nicht von einem Auto überfahren zu werden, ist eine bissige Anspielung auf die Gefahren unkontrollierter, sexueller Begierde. In der dritten und letzten Strophe wird die Interaktion mit einem Straßenkehrer untersucht und aufgefordert, ihm Großzügigkeit und Freundlichkeit entgegenzubringen.

Mit Blick auf die Form und Sprache des Gedichts fällt auf, dass es in freien Versen geschrieben und in drei Strophen gegliedert ist. Es folgt keinem traditionellen Reimschema und ist einfach und geradlinig in seiner Diktion. Die Sprache ist alltäglich und verständlich, was diesen alltaglichen Momenten ein greifbares und realistisches Gefühl verleiht. Ringelnatz nutzt auch einzelne, pointierte Sätze am Ende der Strophen als abschließende, sarkastische Bemerkungen, die zu weiterer Reflexion anregen.

Insgesamt scheint das Gedicht die Leser einzuladen, den Alltag aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und auch darauf hinzuweisen, dass es immer mehr als eine Perspektive auf eine Situation gibt. Es hinterfragt gängige Sichtweisen und Normen und ermutigt dazu, Mitgefühl und Verständnis für andere Menschen zu haben.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Gassenkreuzung“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. 1932 ist das Gedicht entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 18 Versen mit insgesamt 3 Strophen und umfasst dabei 84 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Gassenkreuzung“ weitere 560 Gedichte vor.

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