Die Zwei Polis von Joachim Ringelnatz

Ich drehe aus der Tik
Niemandem einen Strick.
Denn wir wollen frei
Sein in der Republik.
 
Und wie der Tik so auch der Zei
Geh ich am liebsten weit vorbei.
Ich habe sie beide dick.
 
So werfe auch kein andrer solchen Strick
Mit der Tik mir ums Genick.
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Denn ich will von der Tik nichts verstehn.
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Und die Zei und alle Zein
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Können mich – o nein! o nein! –
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Können mir auch aus dem Wege gehn.
 
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Bei der Tik verlangt man Krummheit
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Im gegebenen Moment.
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Und die Zei wünscht füge Dummheit,
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Weil sie keinen Shakespeare kennt.
 
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Und die Zei will meinen Willen.
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Meine Meinung will die Tik.
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Beide wünschen sie im stillen
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Hypothek auf jedermanns Geschick.
 
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Es muß doch Leute geben,
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Die ehrlich sein wolln,
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Und weil sie nur ihr Ausmaß leben,
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Darum auch freier sein solln.
 
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Darum übe die Zei nicht an mir Kritik,
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Und die Tik möge es mir verzeihn,
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Wenn ich nochmals gestehe, daß ich jeden Augenblick
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Möglichst fern von beiden möchte sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Zwei Polis“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
29
Anzahl Wörter
165
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Zwei Polis“ stammt von dem deutschen Schriftsteller Joachim Ringelnatz, der in der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts lebte und wirkte. Dieses Zeitfenster ist nicht unwesentlich für die Interpretation des Gedichts, da es im Kontext seiner Entstehungszeit gesehen werden muss.

Beim ersten Lesen erscheint das Gedicht recht abstrakt und geheimnisvoll, teilweise provokativ. Die zentralen Begriffe „Tik“ und „Zei“ sind zunächst nicht unmittelbar verständlich und scheinen chiffriert zu sein. Sie tauchen wiederholt auf und werden als etwas dargestellt, von dem das lyrische Ich sich distanzieren möchte.

Im Grunde genommen handelt das Gedicht von der Auseinandersetzung zwischen dem lyrischen Ich und den beiden abstrakten Kräften „Tik“ und „Zei“. Das lyrische Ich möchte sich von diesen nicht beherrschen lassen und pocht auf seine Freiheit und Unabhängigkeit. Es zeigt sich kritisch gegenüber der Anpassung an bestehende Normen und Strukturen. Durch die Chiffrierung bleibt allerdings offen, was genau mit „Tik“ und „Zei“ gemeint ist. Möglicherweise verweist Ringelnatz hier auf politische oder gesellschaftliche Machtstrukturen seiner Zeit.

Formell besteht das Gedicht aus sieben Strophen mit wechselnder Versanzahl. Die Sprache ist klar und unverschnörkelt, geprägt von einer zugespitzten Kritik an den Mächten „Tik“ und „Zei“. Dabei verwendet Ringelnatz eine Reihe von starken Verben und Ausdrücken, die das lyrische Ich als aktiv und widerständig gegenüber diesen Mächten charakterisieren.

Im Großen und Ganzen hinterlässt „Die Zwei Polis“ den Eindruck eines rebellischen Aufrufs zur persönlichen Freiheit und Unabhängigkeit gegenüber politischen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten. Ringelnatz betont die Notwendigkeit, im Einklang mit den eigenen individuellen Werten und Überzeugungen zu leben, und nicht den Erwartungen oder Forderungen der „Tik“ und „Zei“ zu entsprechen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Zwei Polis“ des Autors Joachim Ringelnatz. Im Jahr 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1928 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Berlin. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 165 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 29 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz sind „Abgesehen von der Profitlüge“, „Abglanz“ und „Abschied von Renée“. Zum Autor des Gedichtes „Die Zwei Polis“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.

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