Es ging verirrt im Walde von Clemens Brentano
1 |
Es ging verirrt im Walde |
2 |
Ein Königstöchterlein |
3 |
Laut weint sie, daß es schallte |
4 |
Tief in den Wald hinein. |
|
|
5 |
An meiner Krone blinken, |
6 |
Schmaragd und auch Rubin, |
7 |
Um einmal nur zu trinken, |
8 |
Gäb' ich sie gerne hin. |
|
|
9 |
Da schwebt zu ihrem Haupte |
10 |
Ein edler Falke bald, |
11 |
Der ihr die Krone raubte |
12 |
Und tiefer flog zum Wald. |
|
|
13 |
Sie folgt ihm, hoch in Lüften |
14 |
Trägt er die Krone hell |
15 |
Bis wo in dunklen Klüften |
16 |
Erbraust ein kühler Quell. |
|
|
17 |
O Falke Luftgeselle |
18 |
Nimm hin die Krone mein, |
19 |
So kühl als diese Quelle |
20 |
Mag keine Krone sein. |
|
|
21 |
Es braust so wonnig unten |
22 |
Tief in der Felsen Schoß, |
23 |
Von Schatten still umwunden, |
24 |
Ruht sie auf weichem Moos, |
|
|
25 |
Die Locken aufgewunden |
26 |
Die zarten Glieder bloß, |
27 |
Erkühlt sie sich da unten |
28 |
Tief in der Felsen Schoß. |
|
|
29 |
Sie ließ sich an den Zweigen |
30 |
Hinab ins kühle Bad, |
31 |
Bald will sie rückwärts steigen, |
32 |
Doch zeiget sich kein Pfad, |
|
|
33 |
Sie streckt wohl nach den Zweigen, |
34 |
Mit Macht die Arme hin, |
35 |
Doch keiner will sich neigen, |
36 |
Zur Königstochter hin. |
|
|
37 |
Wer kann heraus mich heben, |
38 |
Weint da die holde Magd, |
39 |
Gern wollte ich ihm geben, |
40 |
Mein Ringlein von Schmaragd, |
|
|
41 |
Wie sie die Hände ringet |
42 |
Das schöne Ringelein |
43 |
Ihr von dem Finger springet, |
44 |
Tief in den Quell hinein. |
|
|
45 |
Sie sucht und findt in Klippen |
46 |
Ein Horn von Gold so rein, |
47 |
Und setzt es an die Lippen, |
48 |
Es schallt zum Wald hinein. |
|
|
49 |
Die Felsen laut erklingen, |
50 |
Und laut von Stein zu Stein |
51 |
Die muntern Töne springen, |
52 |
Ums Königstöchterlein. |
|
|
53 |
Die Zweige sich auch neigen |
54 |
Der edle Falke wiegt, |
55 |
Sich fröhlich auf den Zweigen |
56 |
Die er hinunter biegt. |
|
|
57 |
Dann hört sie Worte schallen, |
58 |
Wer bläst auf meinem Horn, |
59 |
Das gestern mir gefallen |
60 |
Hinab zum Felsenborn. |
|
|
61 |
Wer hütet mich vor Schande, |
62 |
Weint laut das Töchterlein, |
63 |
Wer giebt mir die Gewande, |
64 |
Wer schützt die Ehre mein, |
|
|
65 |
Mich liebte einst ein Knabe |
66 |
Der Züchten wohl verstand, |
67 |
O daß ich ihn nicht habe, |
68 |
Er gäb' mir mein Gewand. |
|
|
69 |
Die Augen zugebunden, |
70 |
Der Knabe vor ihr stand |
71 |
Der Knabe ist gefunden |
72 |
Er reicht ihr das Gewand. |
|
|
73 |
Verloren ist die Krone, |
74 |
Und auch das Fingerlein, |
75 |
Ohn' Ringlein und ohn' Krone, |
76 |
Muß sie das Kleinod sein. |
|
|
77 |
Da ruhte der Geselle |
78 |
Wohl bald in ihrem Schoß, |
79 |
Im Herzen ward's ihm helle |
80 |
O mach die Binde los. |
|
|
81 |
In ihr Gewand geschwinde |
82 |
Hüllt sich das holde Kind, |
83 |
Dann löst sie ihm die Binde, |
84 |
Läßt nicht die Liebe blind. |
|
|
85 |
Da schallt es in den Buchen |
86 |
Da hallt es am Gestein, |
87 |
Der König kommt zu suchen, |
88 |
Das Königstöchterlein. |
|
|
89 |
Nun rege deine Hände, |
90 |
Spricht da das Töchterlein, |
91 |
Wenn uns der König fände |
92 |
Müßt' es gestorben sein. |
|
|
93 |
Der Falke nahm die Krone, |
94 |
Der Quell das Fingerlein, |
95 |
Der Jäger nimmt zum Lohne |
96 |
Das Königstöchterlein. |
|
|
97 |
Es nahm der Jagdgeselle |
98 |
Sein Horn und sein Geschoß |
99 |
Und trug die Jungfrau schnelle |
100 |
Zum hohen Felsenschloß. |
|
|
101 |
Auf Felsen hoch ich wohne, |
102 |
Der Falke und die Braut |
103 |
Am Turme hängt die Krone |
104 |
Sein Nest hineingebaut. |
Details zum Gedicht „Es ging verirrt im Walde“
Clemens Brentano
26
104
477
1778 - 1842
Romantik
Gedicht-Analyse
Clemens Brentano ist der Autor des Gedichtes „Es ging verirrt im Walde“. 1778 wurde Brentano in Ehrenbreitstein (Koblenz) geboren. Im Zeitraum zwischen 1794 und 1842 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Brentano ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.
Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 datiert werden. Die Literatur der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Lyriker der Romantik in Auflösung begriffen. In der Literatur der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben unberücksichtigt und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Des Weiteren sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die grundsätzlichen Themen waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Strebte die Klassik nach harmonischer Vollendung und gedanklicher Klarheit, so ist die Romantik von einer an den Barock erinnernden Maß- und Regellosigkeit geprägt. Die Romantik begreift die schöpferische Phantasie des Künstlers als unendlich. Zwar baut sie dabei auf die Errungenschaften der Klassik auf. Deren Ziele und Regeln möchte sie aber hinter sich lassen.
Das Gedicht besteht aus 104 Versen mit insgesamt 26 Strophen und umfasst dabei 477 Worte. Die Gedichte „Kennt ihr das Fräulein Dienchen nicht ...“, „Ihr himmlischen Fernen“ und „Brautgesang“ sind weitere Werke des Autors Clemens Brentano. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Es ging verirrt im Walde“ weitere 297 Gedichte vor.
+ Mehr Informationen zum Autor / Gedicht einblenden.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?
Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Clemens Brentano
Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Clemens Brentano und seinem Gedicht „Es ging verirrt im Walde“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.
- Brentano, Clemens - Der Spinnerin Nachtlied (Gedichtinterpretation)
- Brentano, Clemens - Sprich aus der Ferne (Stichpunkte zum Gedicht)
- Brentano, Clemens - In der Fremde (Gedichtinterpretation)
- Brentano, Clemens - Sprich aus der Ferne (Gedichtanalyse)
- Brentano, Clemens - Sprich aus der Ferne (Gedichtinterpretation)
Weitere Gedichte des Autors Clemens Brentano (Infos zum Autor)
- Als Herr Künzel neulich bat
- Kennt ihr das Fräulein Dienchen nicht ...
- Ihr himmlischen Fernen
- Brautgesang
- Abschied vom Rhein
- O Traum der Wüste, Liebe, endlos Sehnen
- Was reif in diesen Zeilen steht
- Wenn der lahme Weber träumt, er webe
- Im Wetter auf der Heimfahrt
- Die Abendwinde wehen
Zum Autor Clemens Brentano sind auf abi-pur.de 297 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt