Abschied vom Rhein von Clemens Brentano

Nun gute Nacht! mein Leben,
Du alter, treuer Rhein.
Deine Wellen schweben
Klar im Sternenschein;
Die Welt ist rings entschlafen,
Es singt den Wolkenschafen
Der Mond ein Lied.
Der Schiffer schläft im Nachen
Und träumet von dem Meer;
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Du aber, Du mußt wachen
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Und trägst das Schiff einher.
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Du führst ein freies Leben,
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Durchtanzest bei den Reben
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Die ernste Nacht.
 
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Wer dich gesehen, lernt lachen;
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Du bist so freudenreich,
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Du labst das Herz der Schwachen
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Und machst den Armen reich.
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Du spiegelst hohe Schlösser
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Und füllest große Fässer
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Mit edlem Wein.
 
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Auch manchen lehrst du weinen.
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Dem du sein Lieb entführt;
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Gott wolle die vereinen,
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Die solche Sehnsucht rührt:
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Sie irren in den Hainen,
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Und von den Echosteinen
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Erschallt ihr Weh.
 
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Und manchen lehret beten
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Dein tiefster Felsengrund;
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Wer dich im Zorn betreten,
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Den ziehst du in den Schlund:
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Wo deine Strudel brausen,
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Wo deine Wirbel sausen,
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Da beten sie.
 
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Mich aber lehrst du singen:
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Wenn dich mein Aug ersieht,
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eine freudeselig Klingen
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Mir durch den Busen zieht;
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Treib fromm mir meine Mühle,
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Jetzt scheid ich in der Kühle
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Und schlummre ein.
 
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Ihr lieben Sterne, decket
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Mir meinen Vater zu.
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Bis mich die Sonne wecket,
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Bis dahin mahle du:
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Wirds gut, will ich dich preisen,
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Dann sing in höhern Weisen
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Ich dir ein Lied.
 
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Nun werf ich dir zum Spiele
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Den Kranz in deine Flut:
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Trag ihn zu seinem Ziele,
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Wo dieser Tag auch ruht.
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Gut Nacht, ich muß mich wenden,
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Muß nun mein Singen enden,
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Gut Nacht, mein Rhein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.4 KB)

Details zum Gedicht „Abschied vom Rhein“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
250
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Abschied vom Rhein“ wurde von Clemens Brentano, einem bedeutenden Dichter der deutschen Romantik, verfasst. Brentano lebte im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert und hat das Gedicht dementsprechend in etwa in dieser Zeit geschrieben.

Das erste Gefühl, das dieses Gedicht vermittelt, ist eine tiefe Wertschätzung und Zuneigung zu dem Fluss Rhein. Dafür stehen die bildreichen und farbenprächtigen Ausdrücke, in denen der Dichter den Fluss und seine Umgebung beschreibt.

Im Gedicht reflektiert das lyrische Ich über die vielfältigen Arten, wie der Rhein Menschen inspiriert, einschließlich deren erfreutem Lachen, der Trauer und Sehnsucht, die er hervorrufen kann, und wie er manche dazu bringt, zu beten. Es betont, wie glücklich der Fluss es macht und ihn zum Singen inspiriert, und es drückt seine Absicht aus, vom Rhein Abschied zu nehmen und sich auf ein gemütliches Schlummern in seiner Nähe zu freuen.

Die Form des Gedichts ist ein recht traditioneller Reim, wobei die Strophen meist sieben Verse umfassen. Jede Strophe scheint jeweils auf eine andere Art von menschlicher Reaktion auf den Rhein einzugehen. Zudem verfolgt jede Strophe eine eigene Metrik und Reimstruktur.

Die Sprache ist poetisch und bewusst gewählt, voller lebendiger Bilder und sinnlicher Details, wie von der Freiheit des Flusses, von den reichen Schlössern und dem edlen Wein, vom Klang des Echoes im Tal, von den Strudeln und Wirbeln, und schließlich von den Sternen, die den Fluss verhüllen.

Das lyrische Ich legt zudem viel Wert auf Geräusche und Klangfarben, was sich in Worten wie „schweben“, „singen“, „klingen“ und „sagen“ widerspiegelt. Darüber hinaus werden Ausdrücke wie „freudeselig Klingen“, „höhern Weisen“, und „mein Singen“ verwendet, die eine musikalische Untermalung und eine Verbundenheit zwischen dem lyrischen Ich und dem Fluss andeuten.

Insgesamt ist das Gedicht ein liebevoller Abschied vom Rhein. Es würdigt die Bedeutung des Flusses in verschiedenen Aspekten des Lebens und erkennt seine Schönheit und Stärke an. Durch die Kombination von lyrischer Sprache und präzisen, sinnlichen Bildern schafft Brentano ein starkes Bild des Rheins und verleiht ihm eine fast menschenähnliche Persönlichkeit.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Abschied vom Rhein“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Clemens Brentano. Geboren wurde Brentano im Jahr 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz). Zwischen den Jahren 1794 und 1842 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Der Romantik vorausgegangen waren die Epochen der Weimarer Klassik und der Aufklärung. Die Literaturepoche der Romantik ist zeitlich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein einzuordnen. Besonders auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Musik und der Literatur hatte diese Epoche Auswirkungen. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Welt, die sich durch die beginnende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls Auswirkungen auf die Romantik. Weltflucht, Hinwendung zur Natur, Verklärung des Mittelalters (damalige Kunst und Architektur wurde nun wieder geschätzt), Rückzug in Fantasie- und Traumwelten, Betonung des Individuums und romantische Ironie sind typische Merkmale der Romantik. Die Themen der Romantik zeigen sich in verschiedenen Motiven und Symbolen. So gilt beispielsweise die Blaue Blume als das zentrale Motiv der Romantik. Sie symbolisiert Liebe und Sehnsucht und verbindet Natur, Mensch und Geist. Die Nacht hat ebenfalls eine besondere Bedeutung in der Literatur der Romantik. Sie ist der Schauplatz für viele weitere Motive dieser Epoche: Tod, Vergänglichkeit und nicht alltägliche, obskure Phänomene. Im ebenfalls in dieser Epoche zu findenden Spiegelmotiv zeigt sich die Hinwendung der Romantik zum Unheimlichen. Die äußere Form von romantischer Literatur ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits direkt nach Erscheinen der Werke wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das 250 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere Werke des Dichters Clemens Brentano sind „Die Abendwinde wehen“, „14. Juli 1834“ und „Als ich in tiefen Leiden“. Zum Autor des Gedichtes „Abschied vom Rhein“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 298 Gedichte vor.

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