Wenn der lahme Weber träumt, er webe von Clemens Brentano

Wenn der lahme Weber träumt, er webe,
Träumt die kranke Lerche auch, sie schwebe,
Träumt die stumme Nachtigall, sie singe,
Daß das Herz des Widerhalls zerspringe,
Träumt das blinde Huhn, es zähl' die Kerne,
Und der drei je zählte kaum, die Sterne,
Träumt das starre Erz, gar linde tau' es,
Und das Eisenherz, ein Kind vertrau' es,
Träumt die taube Nüchternheit, sie lausche,
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Wie der Traube Schüchternheit berausche;
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Kömmt dann Wahrheit mutternackt gelaufen,
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Führt der hellen Töne Glanzgefunkel
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Und der grellen Lichter Tanz durchs Dunkel,
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Rennt den Traum sie schmerzlich übern Haufen,
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Horch! die Fackel lacht, horch! Schmerz-Schalmeien
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Der erwachten Nacht ins Herz all schreien;
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Weh, ohn' Opfer gehn die süßen Wunder,
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Gehn die armen Herzen einsam unter!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Wenn der lahme Weber träumt, er webe“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
118
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wenn der lahme Weber träumt, er webe“ wurde von Clemens Brentano, einem bedeutenden Vertreter der deutschen Romantik, geschrieben. Brentano wurde am 9. September 1778 geboren und starb am 28. Juli 1842, somit lässt sich das Gedicht in den Kontext des frühen 19. Jahrhunderts einordnen.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht einen eher melancholischen Eindruck. Es scheint, als handle es von Träumen und der harten Realität, die diese zunichtemacht, aber auch von der Sehnsucht, über menschliche Einschränkungen und Verletzungen hinauszuwachsen.

Inhaltlich lässt sich das Gedicht grob in zwei Teile gliedern. Die ersten zehn Verse beschreiben unterschiedliche Wesen und Dinge, die träumen oder wünschen, über ihre natürlichen oder körperlichen Grenzen hinauszuwachsen: Der lahme Weber, der gerne weben würde; die kranke Lerche, die davon träumt zu fliegen; die stumme Nachtigall, die singen möchte, und so weiter. In den letzten acht Versen allerdings wird diese Traumwelt durch die nackte Wahrheit zerstört, die mit grellem Licht und lautem Lachen hereinbricht und die Träume „schmerzlich über den Haufen“ rennt.

Stilistisch fällt auf, dass Brentano sich einer sehr bildhaften und metaphorischen Sprache bedient, um seine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Die Verse sind nahezu durchgehend in Paarreimen gehalten, was dem Gedicht einen bestimmten Rhythmus gibt und dem Leser hilft, den Inhalt intuitiv nachzuvollziehen.

Im Gesamten schafft Brentano es mithilfe seiner wohlüberlegten Wortwahl und dem gezielten Einsatz von Reimen und Metaphern, eine gedankliche Kluft zwischen Traum und Realität zu erzeugen. Zugleich macht er auf die menschliche Sehnsucht aufmerksam, über ihre physischen und emotionalen Grenzen hinauszuwachsen, und auf das Leid, das entsteht, wenn diese Träume und Hoffnungen zerstört werden. Das lyrische Ich könnte dabei eine Personifikation von Brentanos eigenen Wünschen und Ängsten sein und den inneren Konflikt des Autors aufzeigen – das Streben nach Freiheit und Leichtigkeit einerseits und die unvermeidliche Konfrontation mit der harten Realität andererseits.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Wenn der lahme Weber träumt, er webe“ ist Clemens Brentano. Geboren wurde Brentano im Jahr 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz). In der Zeit von 1794 bis 1842 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Romantik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Frühromantik lässt sich zeitlich bis in das Jahr 1804 einordnen. Die Hochromantik bis 1815 und die Spätromantik bis in das Jahr 1848. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Lyriker der Romantik in Auflösung begriffen. In der Literatur der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben unberücksichtigt und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Außerdem sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die grundsätzlichen Themen waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde manifestiert. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das 118 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 18 Versen mit nur einer Strophe. Die Gedichte „Als Herr Künzel neulich bat“, „Kennt ihr das Fräulein Dienchen nicht ...“ und „Zu Koblenz auf der Brücken“ sind weitere Werke des Autors Clemens Brentano. Zum Autor des Gedichtes „Wenn der lahme Weber träumt, er webe“ haben wir auf abi-pur.de weitere 298 Gedichte veröffentlicht.

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