Brentano, Clemens - Sprich aus der Ferne (Gedichtanalyse)

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Clemens Brentano, Gedichtinterpretation, Referat, Hausaufgabe, Brentano, Clemens - Sprich aus der Ferne (Gedichtanalyse)
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Referat

Gedichtanalyse – Sprich aus der Ferne (Clemens Brentano)

Sprich aus der Ferne
von Clemens Brentano

Sprich aus der Ferne
Heimliche Welt,
Die sich so gerne
Zu mir gesellt.
 
Wenn das Abendrot niedergesunken,
Keine freudige Farbe mehr spricht,
Und die Kränze stilleuchtender Funken
Die Nacht um die schattigte Stirne flicht:
 
Wehet der Sterne
10 
Heiliger Sinn
11 
Leis durch die Ferne
12 
Bis zu mir hin.
 
13 
Wenn des Mondes still lindernde Tränen
14 
Lösen der Nächte verborgenes Weh;
15 
Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen
16 
Schiffen die Geister im himmlischen See.
 
17 
Glänzender Lieder
18 
Klingender Lauf
19 
Ringelt sich nieder,
20 
Wallet hinauf.
 
21 
Wenn der Mitternacht heiliges Grauen
22 
Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht,
23 
Und die Büsche gar wundersam schauen,
24 
Alles sich finster tiefsinnig bezeugt:
 
25 
Wandelt im Dunkeln
26 
Freundliches Spiel,
27 
Still Lichter funkeln
28 
Schimmerndes Ziel.
 
29 
Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,
30 
Bietet sich tröstend und traurend die Hand,
31 
Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,
32 
Alles ist ewig im Innern verwandt.
 
33 
Sprich aus der Ferne
34 
Heimliche Welt,
35 
Die sich so gerne
36 
Zu mir gesellt.

(„Sprich aus der Ferne“ von Clemens Brentano ist auch in unserer Gedichtedatenbank zu finden. Dort findest Du auch weitere Gedichte des Autoren. Für die Analyse des Gedichtes bieten wir ein Arbeitsblatt als PDF (26.3 KB) zur Unterstützung an.)

Das Gedicht „Sprich aus der Ferne“ von Clemens Brentano wurde im Jahre 1801 veröffentlicht und thematisiert die Verbindung des lyrischen Ichs zu einer imaginären und himmlischen Welt. Voraussetzung für diesen Kontakt von der realen Welt des lyrischen Ichs und der nicht realen Welt, dem traumhaften, ist der Einbruch der Nacht. Dabei ist dieses Gedicht von zahlreichen Enjambements geprägt, welche die einzelnen Verse miteinander in Verbindung setzen. Das Gedicht ist der Epoche der Romantik zuzuordnen, was sich bereits im Titel widerspiegelt.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus 9 Strophen mit jeweils 4 Versen bzw. Quartetten, welche abwechselnd kurze und lange Verse besitzen. Das Gedicht ist von Trochäen und Daktylen geprägt, wobei sich die Kadenz zwischen der männlichen und weiblichen Kadenz abwechselt. Bei dem Reimschema handelt es sich um einen durchgängigen Kreuzreim, wodurch das Gedicht sehr melodisch und dynamisch wirkt. Durch die abwechselnden Kadenzen und Metren wird jedoch eine düstere und eher negative Stimmung aufgebaut, die die Gefühle des lyrischen Ichs verdeutlichen.

Das lyrische Ich wendet sich, in dem mir vorliegenden Gedicht an die himmlische Welt und versucht mit dieser zu kommunizieren. Dabei äußert das lyrische Ich sämtliche Gedanken an die überirdische Welt und teilt dem Leser die eigenen Gefühle mit. Es wird eine nostalgische und emotionale Stimmung vermittelt, welche durch die traurige und dynamische Atmosphäre verdeutlicht wird. Das lyrische Ich nimmt Kontakt mit dem Überirdischen auf und äußert sich dabei in keinster Weise ironisch, sondern viel mehr ernst.

„Sprich aus der Ferne“ ist ein romantisches Gedicht, es ist eine Art Kommunikation. Die Beschreibung zwischen Mensch und Natur, obwohl es eine besondere Natur ist, ihre
besondere Magie fällt nur nachts auf (V. 2). Der Autor hat dadurch die Sehnsucht des lyrischen Ichs nach Distanz und Privatsphäre geschaffen. Der erste Vers zeigt den Beginn des Gesprächs und eine gewisse Vertrautheit zwischen der „geheimen Welt“ (V. 2) und dem lyrischen Ich, besonders in den letzten Zeilen des Hauptteils: „Die sich so gerne zu mir gesellt“. In der fünften Strophe, dem Zentrum des Gedichts, ist das Gesprächszentrum erreicht. Auch der Ton des Dialogs ist vorgegeben, man könnte also von einem „musikalischen Gespräch“ sprechen. Schlagworte wie zum Beispiel „Lieder“ (V. 17) unterstützen diese These. Die vier Zeilen von Vers fünf beschreiben die Höhen und Tiefen eines melodischen Verlaufs mit dem Stilmittel von Synästhesie, Musik klingt nicht nur, sie ist auch visuell wahrnehmbar und hat eine fast körperliche Wirkung: „Glänzender Lieder, klingender Lauf, ringelt sich nieder, wallet hinauf“(V. 18 ff). Dies ist ein zusätzliches Dokument für die Intensität und Vertrautheit zwischen der geheimen Welt und dem lyrischen Ich. Es ist davon auszugehen, dass diese Art der Kommunikation nicht die erste zwischen dem lyrischen Ich und der Natur ist. In diesem Zusammenhang wird die „geheime Welt“ indirekt von einer nicht insgeheimen, offensichtlichen Welt abgegrenzt.

Das lyrische Ich fühlt sich zu der nächtlichen, heimlichen Welt hingezogen, die tatsächliche Welt, die Tages-Wirklichkeit, gefällt ihm anscheinend nicht. Es scheint regelrecht vor dem Alltag zu flüchten, die in der Nacht aufkeimende Sehnsucht nach Ganzheit und Einheit steht klar im Vordergrund. Das atmosphärische Geschehen und die Wahrnehmungen des lyrischen Ichs kommen durch die Abwechslung in der Länge der Strophen noch besser zum Vorschein. In den Langstrophen werden die Bedingungen, unter denen die heimliche Welt zum Ich kommuniziert, angegeben: Wenn es Nacht wird (Strophe 2), wenn der Mond scheint (Strophe 4), wenn es Mitternacht ist (Strophe 6). Die besondere Wirkung jener Bedingungen wird in den Kurzstrophen zum Ausdruck gebracht: Wenn die heimliche Welt kommuniziert, darauffolgend entsteht ein „Heiliger Sinn“ (Strophe 3), erklingt ein Lied (Strophe 5), schimmern funkelnde Beleuchtungsquellen (Strophe 7). Die letzte Langstrophe (Strophe 8) fasst noch einmal die Wirkung wie ein Ergebnis miteinander. Es entsteht das Bild einer freundlichen und tröstenden Harmonie, die sich in der Nacht offenbaren kann. Am Tag, in der tristen Welt, kann sich eine solche Ganzheit nicht entfalten. Nachts wendet sich das Blatt und das Ich kann das Wesen der Dinge erfahren, das im Gegensatz zum äußeren Anschein des Tages steht. Die Dinge werden in der Nacht auf diese Weise gesehen, wie man sie sich vorstellt. Eine Umkehrung findet statt, da dieser Tage die Fantasie die „Oberhand“ hat. Es wird kein Bild vorgesetzt, anstelle man kann das sehen, wo man herkommt, den Ursprung, die „heimliche Welt“ (V. 2), die Heimat, die ja in dem Wortstamm „heimlich“ enthalten ist. Was geheim und verborgen ist, kann man beim Betrachten nicht sehen. Er nimmt im alltäglichen Licht wahr und ist in seiner Fantasie nicht frei. Man hat nachts kein Licht, mit Ausnahme der Sterne und des Mondes, also Licht aus der „Ferne“ (V. 11). Das sind die visuellen Reize des Lichts im Dunkeln: „Abendrot“ (V. 5), „leuchtende Funken“ (V. 7) oder „Schimmerndes Ziel“ (V. 28) sind nur einige Beispiele dafür. Zentral für das Gedicht ist, dass das, was oben und unten ist, in der Nacht miteinander zu verschmelzen scheint. Dann ist es eins „Himmlischen See“ (V. 16). „Himmlisch“ bedeutet in diesem Fall, dass Weite und Versteckte. „Himmlisch“ spricht hier für die Realität und deshalb hier auf Erden greifbar.

Diese Verbindung von Transzendenz und Immanenz ist auch ein Beweis für das Vertraute und die Verbindung zwischen dem des Dichters Erschaffenden und der fernen Welt. Wenn das Spiel mit der Atmosphäre in der Nacht passiert, wird eine besondere Stimmung erzeugt, dass in dem Gedicht eine Welt aus der Realität des Tages entsteht, weicht ab. Eine Flucht aus der Realität des Tages in die Nacht zieht sich also durch alle Strophen.

Clemens Brentano hat ein Gedicht geschaffen, das mit seiner Komplexität des Inhalts und der Form selbst die Ganzheitlichkeit repräsentieren, die Sie vermitteln möchten. Die romantische Sehnsucht nach einer tiefen Dimension der nächtlichen Wirklichkeit wird auf diese Weise erreicht.

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