Einer Jungfrau bei dem Geschenk der Sakontala von Clemens Brentano

Ein kluges mir geliebtes Wesen
Sprach gestern:
Dieses Buchs Gestalt
Schwebt mir im Sinn, seit ich's gelesen
Mit einer rührenden Gewalt.
Ich kann mir es nicht anders denken,
Als jener mag'schen Linie Spur,
In die sich Huld und Unschuld senken
Zu rein jungfräulicher Figur.
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Unschuld'ger ist's als eine Blume,
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Es denkt unschuldig - ist ein Geist,
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Den, wie ein Kelch die Heiligtume,
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Ein klar durchsicht'ger Leib verschleußt.
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Hier ist nicht Nacktheit, ist nicht Hülle,
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Hier ist nicht Schuld, nicht Kampf - hier ist,
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Daß ich die Form mit Geist erfülle,
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Ein Wesen, wie du Freundin bist.
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Als im verlorenen Paradiese
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Du aus des Schöpfers Händen giengst,
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Auch du so klar und rein wie diese
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Sakontala den Geist empfliengst.
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Und diesen Schein willst du nicht lassen,
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Er ist ein Strahl aus Gottes Geist,
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Will alle Farbe auch erblassen,
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Dies Licht kein Tod dir je entreißt.
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Ich aber bringe dir den Spiegel,
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Du schaust hinein, und kennst dich nicht,
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Dein Sehen deckt der Demut Siegel,
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Das nur dein Richter einst zerbricht,
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So wäre auch nach ihrem Wesen,
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Sakontala, die dir wohl gleicht,
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Für solchen Spiegel blind gewesen,
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Hätt' man dein Bild ihr dargereicht.
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Doch klingt ein Griff verwandter Töne,
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Den Gott in unsre Harfen tut,
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Von je und jetzt in gleicher Schöne,
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Denn alles ist in ihm ja gut!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Einer Jungfrau bei dem Geschenk der Sakontala“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
37
Anzahl Wörter
217
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Clemens Brentano ist der Autor des Gedichtes „Einer Jungfrau bei dem Geschenk der Sakontala“. Geboren wurde Brentano im Jahr 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz). Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1794 und 1842. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis spät in das 19. Jahrhundert hineinreichte. Insbesondere auf den Gebieten der Literatur, Musik oder der bildenden Kunst hatte diese Epoche umfangreiche Auswirkungen. Die Romantik wird in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) unterschieden. Die Welt, die sich durch die einsetzende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls Auswirkungen auf die Romantik. In der Romantik finden sich verschiedene charakteristische Motivkreise. Sehnsucht und Liebe (Blaue Blume) oder das Unheimliche (Spiegelmotiv) sind wichtige Motive. Auch politische Motive wie Weltflucht, Nationalismus und Gesellschaftskritik lassen sich aufzeigen. Das Mittelalter gilt bei den Romantikern als Ideal und wird verherrlicht. Übel und Missstände des Mittelalters bleiben jedoch unbeachtet. Die äußere Form von romantischer Literatur ist völlig offen. Kein starres Schema grenzt die Literatur ein. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Normen der Klassik. In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannte Beispiele dafür sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen.

Das vorliegende Gedicht umfasst 217 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 37 Versen. Die Gedichte „Was reif in diesen Zeilen steht“, „Wenn der lahme Weber träumt, er webe“ und „Im Wetter auf der Heimfahrt“ sind weitere Werke des Autors Clemens Brentano. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Einer Jungfrau bei dem Geschenk der Sakontala“ weitere 297 Gedichte vor.

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