Heidnische Antwort auf ein ? von Clemens Brentano

Nimm für dein ? im Brief, den dir zu Lieb'
Er, der zum Tod dich liebt, mir jüngst geschrieben,
Der Dichterliebe Bild, das mir noch blieb
Aus all dem Zauber, der mich zwang zu lieben.
 
»Ich hab' kein Kreuz - ich Liebe nicht verlangt
Ich muß mein Kreuz - ich seine Liebe tragen.«
Wir, denen beiden nicht vor beidem bangt,
Wir wollen also Schnödes nimmer sagen.
 
Wie? Nicht verlangen? - Bin ich dann kein Weib?
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Verleugne ich die Reize, die mich schmücken,
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Verleugne ich den Geist, das Herz, den Leib,
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Die ich nie andres lehr', als zu entzücken.
 
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Was mich betrifft, gesteh' ich ein, ich will
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Der Welt noch mehr, als ihrem Herrn gefallen,
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Und schwiegen auch all meine Reize still,
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Lehrt' ich doch selbst die Stummen, süß zu lallen.
 
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Und sprech' ich nicht, so lallt das Stumme doch,
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Verlang' ich nicht, so lehr' ich doch verlangen,
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Der fesselt auch zum Pflug, der so das Joch
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Aufstellt, daß sich das Roß darin muß fangen!
 
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Ein Vogelsteller, der die Netze stellt,
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Muß auch behalten, was nicht weg will fliegen,
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Er hat zum Fang verlangt, was ihm gefällt,
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Doch bleibt im Netz der kranke Löwe liegen.
 
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Hat mich ein Gott um meine Schuld geliebt,
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Daß er für mich sich ließ als Opfer schlachten,
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Was Wunder? daß ein Mensch sein Herz mir giebt,
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Von meiner Huld berauschet zu verschmachten.
 
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Wer Jenem tut, was er den Brüdern tut,
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Ruft: Steig vom Kreuz, dran ich Dich nicht geschlagen,
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Spricht er zu eines kranken Herzens Glut,
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Ich hab' dies nicht verlangt, ich muß es tragen.
 
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Jed Opfer muß ich ehren, das sich bringt
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In Liebe sterbend. Nie will ich mich schämen,
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Ein brechend Herz, das auch am Kreuze ringt,
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Was Gott vom Menschen nimmt, auch anzunehmen.
 
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Mich kreuzigte die Liebe, die ich fand
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Du kreuzigest die Liebe, die dich suchet,
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Sprich, wer von uns dem Kreuze näher stand,
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Ich hab' den Kelch geleert, du ihn versuchet.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.3 KB)

Details zum Gedicht „Heidnische Antwort auf ein ?“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
319
Entstehungsjahr
1778 - 1842
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Heidnische Antwort auf ein ?“ des Autors Clemens Brentano. Brentano wurde im Jahr 1778 in Ehrenbreitstein (Koblenz) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1794 und 1842. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Romantik zuordnen. Bei Brentano handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dauerte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte. Aber auch die Gebiete Geschichte, Philosophie und Theologie sowie Naturwissenschaften und Medizin waren von ihren Auswirkungen betroffen. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Welt, die sich durch die einsetzende Industrialisierung und Verstädterung mehr und mehr veränderte, verunsicherte die Menschen. Die Französische Revolution in den Jahren 1789 bis 1799 hatte ebenfalls bedeutende Auswirkungen auf die Romantik. In der Romantik gilt das Mittelalter als das Ideal und wird verherrlicht. Die Kunst und Architektur der Zeit des Mittelalters werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Missstände dieser Zeit bleiben unberücksichtigt und scheinen bei den Schriftstellern in Vergessenheit geraten zu sein. So ist gerade die Verklärung des Mittelalters ein zentrales Merkmal der Romantik. Außerdem sind die Weltflucht, die Hinwendung zur Natur und die romantische Ironie weitere zentrale Merkmale dieser Epoche. Die Grundthemen der Epoche waren Seele, Gefühle, Individualität und Leidenschaft. In der Literatur wurden diese Themen unter anderem durch Motive der Sehnsucht, Todessehnsucht, Fernweh oder Einsamkeit in der Fremde ausgedrückt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken ist zu beobachten.

Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 319 Worte. Die Gedichte „Im Wetter auf der Heimfahrt“, „Die Abendwinde wehen“ und „14. Juli 1834“ sind weitere Werke des Autors Clemens Brentano. Zum Autor des Gedichtes „Heidnische Antwort auf ein ?“ haben wir auf abi-pur.de weitere 297 Gedichte veröffentlicht.

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