Die Ausgetretenen von Joachim Ringelnatz

Die Freifrau Berta von Sade,
Die hielt sich auf ihrem Schloß
In der Männerretirade
Einen Löwen, so groß wie ein Ponyroß.
 
Bei ihren berüchtigten, tollen,
Staubaufwirbelnden Gastmählern sollen
Die Frauen in Hosen gegangen sein
Und schenkten den Männern ein sehr viel Wein.
Sämtliche Männer verschollen.
 
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Als keine Männer mehr kamen,
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Trat die Freifrau den Löwen entzwei,
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Erwürgte sämtliche Damen
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Und verwichste zwei Herren, die kamen
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Im Namen der Polizei.
 
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Dann trank sie Benzin und verschlang hinterher
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Plumpudding. Und schrieb an die Feuerwehr.
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Nun ist die Stätte wüst und leer,
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Nur mehr eine kahle Ruine.
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Weil auf dem Löwenurine
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Kein Blümelein gedeiht noch Kraut.
 
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Und das ist jammerschade.
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Denn dort liegt Berta von Sade
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In Asche, und wurde viel verdaut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Ausgetretenen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
23
Anzahl Wörter
119
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Ausgetretenen“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, der von 1883 bis 1934 lebte. Demnach ordnen wir das Gedicht in die literarische Epoche der Moderne ein, die von ca. 1890 bis 1945 andauerte und teilweise von Themen der Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und dem Streben nach neuen Ausdrucksformen geprägt war.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht absurd und makaber, gezeichnet von unerwarteten Wendungen und grotesken Schilderungen.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Die Freifrau Berta von Sade hält auf ihrem Schloss einen Löwen und feiert berüchtigte Gastmahle, bei denen die Geschlechterrollen verkehrt zu sein scheinen. Nachdem alle Männer verschwunden sind, tötet die Freifrau ihren Löwen, erwürgt die übrigen Gäste und tötet zwei Polizisten. Danach begeht sie Selbstmord, indem sie Benzin trinkt und Plumpudding isst. Anschließend bleibt ihr Schloss eine Ruine, in der nichts mehr wächst, weil der Löwenurin den Boden verpestet hat. Am Ende wird Berta von Sade zu Asche und wird teilweise verdaut.

Mit diesen makabren Ereignissen scheint das lyrische Ich zu kritisieren, wie extreme Ausschweifungen und die Umkehrung der gesellschaftlichen Normen zur Selbstzerstörung führen können. Die absurde und grausame Darstellung könnte als Kritik an der dekadenten Oberschicht angesehen werden, die sich nach Belieben auslebt und trotzdem in der Leere endet.

Wenngleich das Gedicht scherzhaft und absurd wirkt, mag es auch einen ernsten Unterton besitzen; es könnte als eine Parabel über die Fatalität der Übertreibung und der Umkehrung von Werten in einer dekadenten Gesellschaft gesehen werden. Dabei gleicht die Handlung eher einer schwarzen Komödie als einer ernsthaften Tragödie.

In Bezug auf Form und Sprache ist das Gedicht sehr frei strukturiert. Es folgt keinem festen Reim- oder Rhythmusmuster und besteht aus verschiedenen langen und kurzen Strophen. Das Bewegen zwischen verschiedenen Metren und die Unregelmäßigkeit der Strophenlänge verleihen dem Gedicht ein Gefühl von Chaos und Unvorhersehbarkeit, was dem Inhalt entspricht. Die Sprache ist direkt und umgangssprachlich, was zur Komik des Gedichts beiträgt und die Absurdität der Ereignisse hervorhebt. Anstelle von traditionellen lyrischen Ausdrücken verwendet Ringelnatz humorvolle und groteske Bilder und macht auch vor unflätigen Ausdrücken nicht halt, was der satirischen Intention des Gedichts und seiner Gesellschaftskritik zuträglich ist.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Ausgetretenen“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1928 zurück. Erschienen ist der Text in Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 119 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 23 Versen. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „Abendgebet einer erkälteten Negerin“, „Abermals in Zwickau“ und „Abgesehen von der Profitlüge“. Zum Autor des Gedichtes „Die Ausgetretenen“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 560 Gedichte vor.

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