Als Bobby starb von Karl Kraus

Der große Hund ist tot. O Herz steh still,
das diese Trauerbotschaft fassen will!
 
Das stolze Aug, der stummen Gottheit Pfand,
das Licht der Liebe ist nun ausgebrannt.
 
Wie lautlos lebte er vorbei dem Streit.
Würdig und weise schritt er durch die Zeit.
 
Wir andern leben auf des Glaubens Grab.
Sein Auge dankte, daß es andre gab.
 
Die Not des Tages lehrt’ ihn keine List
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und nur im Traum bestand er unsern Zwist.
 
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Oh Freude, wenn ihn seine Herrin rief!
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Oh Wirrsal, wenn er ihr zu Füßen schlief.
 
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Doch eh’ er schlief, des Hundes Majestät
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sich um sich selbst herum im Kreise dreht.
 
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Wenn er die Stelle fand, hier auszuruhn,
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so hatt’ er es mit manchem Feind zu tun.
 
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Mag wacher Haß die Hundeseele schelten:
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im Schlaf nur lebt der Hund in unsern Welten.
 
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Im Wachen wendet Wahn die Menschenseele,
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daß sie sich um den eignen Vorteil quäle.
 
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Kein Wort, kein Handschlag waren zu Gebote
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dem Glauben je wie diese gute Pfote.
 
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Verlorner Einfalt letztes Lebenszeichen
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war dieses greisen Hunds beflißnes Keuchen.
 
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Nie hat der Hund die Ansicht uns verhehlt.
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Er zeigt sich eifrig, hat er was verfehlt.
 
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Was er verfehlt hat, tat ihm ehrlich leid.
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Wedelnd bewährt sich Ehrenhaftigkeit.
 
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Ein Tanz vor uns war seines Eifers Dank.
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Aus Sehnsucht wird die Hundeseele krank.
 
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Das Menschenherz kennt Hunger nur aus Haß.
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Verlaß den Hund, und er verläßt den Fraß.
 
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Dem hier ruf’ nach ich’s in die Ewigkeit:
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Er hungerte aus einer Trennung Leid!
 
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Nun aber, da das Schicksal sich verkehrte,
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er selber uns die Sehnsucht kennen lehrte.
 
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In Thränenschrift sei’s darum aufgeschrieben:
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Er ist dahin und wir sind hinterblieben!
 
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Und abschiedsvoller schlägt mir jede Stund’,
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nun du noch stummer bist, du großer Hund.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Als Bobby starb“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
20
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
285
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Als Bobby starb“ ist Karl Kraus, ein österreichischer Schriftsteller und Journalist, der im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert lebte.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht die Trauer um den Verlust des treuen Hundes „Bobby“ zum Ausdruck zu bringen. Im Verlauf des Gedichts wird die Achtung und Zuneigung, die der Sprecher für seinen Hund hatte, immer deutlicher. Es wird von Bobby als wachsam, liebevoll und edel beschrieben, und sein Tod wird als ein Verlust dargestellt, der den Sprecher tief bewegt.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um den Tod des geliebten Hundes und die daraus resultierende Trauer. Das lyrische Ich schildert, wie der Hund gelebt hat – ohne den alltäglichen Zwist und den ständigen Streit der Menschen. Es hebt die Loyalität und die bedingungslose Liebe des Tiers hervor und bildet einen deutlichen Gegensatz zur Unbeständigkeit und dem Eigennutz des Menschen.

Die Form des Gedichts besteht aus 20 Strophen, jede mit zwei Versen. Diese Kürze und Prägnanz der Strophen erzeugt eine Art von Intimität und Dringlichkeit, die das Gefühl des Autors und das Thema des Gedichts verstärkt.

Die Sprache des Gedichts ist einfach und verständlich, dennoch schön und berührend. Die Metaphern und Bilder, die Kraus verwendet – zum Beispiel die Beschreibung des Hundes als „stumme Gottheit“ oder „Verlorner Einfalt letztes Lebenszeichen“ – vermitteln seine starke Zuneigung zu Bobby und seine große Trauer um dessen Tod.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Als Bobby starb“ ein berührendes Gedicht ist, das die tiefe Bindung, die zwischen Mensch und Hund bestehen kann, und die Ehrlichkeit und Loyalität, die Hunde auszeichnen, auf bemerkenswerte Weise zum Ausdruck bringt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Als Bobby starb“ des Autors Karl Kraus. Im Jahr 1874 wurde Kraus in Jičín (WP), Böhmen geboren. Im Jahr 1920 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist München. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 20 Strophen und umfasst dabei 285 Worte. Weitere Werke des Dichters Karl Kraus sind „Alle Vögel sind schon da“, „An den Schnittlauch“ und „An eine Falte“. Zum Autor des Gedichtes „Als Bobby starb“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 61 Gedichte vor.

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